Drunter und Drüber
geschmeidig ihre Hände, wirbelte sie herum und drückte sie mit dem Rücken gegen einen der Pfosten der Veranda. Sein verschwitzter, durch und durch männlicher Geruch, seine rauen Hände und vor allem das Blitzen in seinen dunklen braungrünen Augen hielten sie an ihrem Platz und ließen sie erstarren.
»Hör zu, Schwester«, erklärte er und schob sich dicht an ihr Gesicht heran. »Falls du noch mal Hand an mich legen solltest, dann siehst du besser zu, dass eine freundliche Absicht dahinter steckt.« Er zog seinen Kopf ein paar Zentimeter zurück und runzelte die Stirn. »Und fürs Protokoll: Ich arbeite seit über zwölf Jahren als Polier auf dem Bau. Wenn es eins gibt, was ich kann, dann ist es, andere Männer im Umgang mit Werkzeug zu unterweisen.«
»Tate ist aber kein Mann, Sie Hornochse, er ist ein kleiner Junge!«
»Verdammt, ja, er ist ein kleiner Junge – und wenn Sie auch nur einmal richtig hingesehen hätten, statt zu reagieren wie eine hysterische Bärenmutter, deren Junges bedroht wird, dann hätten Sie bemerkt, dass ich das Brett durch die Säge geschoben habe und nicht Tate.«
»Das hätte mich wirklich getröstet, wenn er einen Finger verloren hätte«, fauchte sie ihn an. »Sie waren Millimeter von dem riesigen Sägeblatt entfernt.«
»Sie waren hinter meinen Fingern! Ich hätte mir also erst selbst die Finger abschneiden müssen, ehe die Zähne an Tates Hand herangekommen wären, und glauben Sie mir, Lady, ich gehe schon viel zu lange mit solchen Geräten um, um einen solchen Anfängerfehler zu machen.«
Ihr Herz schlug bis zum Hals, das Blut rauschte in ihren Adern und am liebsten hätte sie weiter getobt und einfach behauptet, dass er log. Aber sie konnte sich nicht genau daran erinnern, wie die Hände der beiden platziert gewesen waren. Sie hatte nur gesehen, dass Tates Hand für ihren Geschmack viel zu nahe an dem kreischenden Sägeblatt gewesen war. »Also gut.« Sie knirschte mit den Zähnen. »Sagen wir, im Zweifel für den Angeklagten, und gehen davon aus, dass es wirklich so war.«
»Verdammt großzügig von Ihnen.«
»Allerdings, das ist es.« Erst als sie ihr Kinn reckte, wurde ihr bewusst, wie nahe er bei ihr stand. Durch diese plötzliche Erkenntnis wurde ihr Herzschlag tatsächlich noch beschleunigt und sie erklärte wütend: »Aber da ist noch die Sache mit dem Bier.«
»Oh, Himmel, Drucilla. Ich habe Malzbier mit ihm getrunken.«
»Malzbier?« »Ja, genau. Ich bin nicht halb so widerwärtig, wie Sie anscheinend denken – verdammt, ich glaube, so widerlich kann wirklich niemand sein. Ganz zu schweigen davon, dass nur ein Vollidiot einem kleinen Kind Alkohol einflößen würde.« Er ließ ihre Handgelenke los, trat einen Schritt zurück und bedachte sie mit einem kühlen Blick. »Und das, Lady, ist etwas, was ich niemals war.«
Sie ließ ihre Arme sinken. Okay, sie kam sich vor wie ein absoluter Volltrottel. Ihre anfängliche selbstgerechte Haltung wich der peinlichen Erkenntnis, dass sie voreilig beleidigende Schlüsse gezogen hatte über diesen Mann. Sie rieb sich die schmerzenden Handgelenke und musterte ihn. Sein muskulöser Körper verströmte eine überwältigende Energie und etwas in seinem Blick raubte ihr regelrecht den Atem, weshalb sie am liebsten pausenlos weiter verbal auf ihn eingedroschen hätte. Nur lag der Grund dafür ganz sicher nicht bei ihrem Sohn.
Eins aber war klar. Sie hatte J.D. zu Unrecht beschuldigt, achtlos mit dem Jungen umgegangen zu sein. Selbst wenn sie lieber eine Schlange geküsst hätte, müsste sie sich dafür bei ihm entschuldigen. Sie verzog schmerzlich das Gesicht.
Sie hatte es immer schon gehasst, wenn sie im Unrecht war.
Als sie ihn ansah, als wäre er eine wilde Bestie, die ungebeten in ihre zivilisierte Umgebung eingedrungen war, verspürte J.D. das plötzliche Bedürfnis, ihr zu demonstrieren, was für eine Bestie tatsächlich in ihm steckte. Dieser Gedanke verursachte ihm eine erschreckte Gänsehaut und er trat hastig einen Schritt zurück und fuhr sich mit einer seiner Hände durch das Haar.
Verdammt. Woher kamen diese idiotischen Gedanken? Er war nie der Typ gewesen, der sich einer Frau aufgezwungen hätte, und er konnte nicht verstehen, weshalb gerade dieses Weibsbild ihn derart problemlos um den Verstand zu bringen schien. Angespannt und wütend, weil es ihn dringend danach verlangte, Hand an sie zu legen, wandte er sich ab.
»Warten Sie, J.D.«
Er wandte sich nicht noch einmal um. »Damit Sie mir noch mal
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