Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
opfern; es ist nicht sinnvoll ein Leben gegen das
von Hunderten und Tausenden zu bevorzugen."
Der Merlin senkte den Blick.
Anouk sagte: "Kluge Entscheidung."
Von Anouk war er das gewöhnt. Außerdem hatte sie nie
eine enge Bindung an Tari gehabt. Aber von Julie?
Chris konnte nicht aufhören, Julie anzustarren wie ein
ekliges Insekt.
*
"Ihr habt WAS!?"
Daan fühlte sich noch etwas indisponiert, aber eindeutig
nüchtern. Die seltsamen Szenen von Ria und Palaron in seinem
Kopf waren zur Ruhe gekommen, doch er war nicht sicher, ob die
Halluzinationen auf andere Art und Weise wieder losgingen.
Das konnte doch nicht wahr sein.
"Wir haben beschlossen, ihn zu bekämpfen", sagte Anouk.
"Es geht um das Leben meiner Tochter! Gebt dem Vogt
doch einfach den dämlichen Stein", rief er.
"So einfach ist das nicht", fauchte Anouk zurück. „Was,
wenn sie schon böse ist?"
„Sie ist nicht böse, hör endlich auf das immer zu sagen",
flüsterte Daan.
"Das weißt du nicht", sagte Anouk bestimmt. "Es bleibt
dabei."
"Ihr wollt sie einfach opfern?" fragte Daan. Ria, mein Gott,
Ria. Sie würde ihn umbringen. das war alles seine Schuld. Er hätte
den Met nicht trinken dürfen.
"Nenn´ es, wie du willst. Tari ist nicht meine einzige
Schutzbefohlene."
"Mein Großvater wird sie rächen", sagte Daan.
"Das glaube ich nicht", sagte Anouk.
Daan hatte nur noch eine Hoffnung. "Julie, du bist doch ihre
Freundin, das kannst du nicht zulassen", flehte er.
"Natürlich bin ich Taris Freundin", sagte Julie, "aber hier
geht es um mehr. Tut mir leid.“
Daan konnte es nicht fassen. das war doch nicht mehr die Julie, mit der er zusammen um das Amt der Hüterin gekämpft
hatte. Aber wo war die alte Julie? Sie musste irgendwo dort drin
sein. Tari glaubte fest daran. Er nahm Julie bei den Schultern und
schüttelte sie, so fest er konnte.
"Wach auf, Julie, wir reden hier von Tari!" schrie er.
Julie wehrte sich nicht. Erst als er sie losließ, sprach sie mit
ihm.
"Ich muss jetzt den Stein holen, sonst riecht er sofort Lunte.
Der Vogt ist nicht dumm. Im Rat haben beschlossen, das du und
Ria“- sie räusperte sich- „nicht mit hoch zum Falkenfels kommen
dürft. Ihr würdet den Plan nur gefährden. Deine Ratsstimme zählt
zwar, aber du wurdest überstimmt. Ihr könnt in Milos Hütte
bleiben. Geh vor; warte da auf Tari. Sie braucht Unterstützung,
wenn sie freikommt."
"Das könnt ihr doch nicht machen", sagte er.
Julie wandte sich wortlos ab.
*
Sie standen noch nicht lange auf dem höchsten Punkt
Tallyns. Von hier aus konnte man über das ganze Gebiet bis nach
Aßlar auf der einen und zum Wolfsschrund auf der anderen Seite
schauen. Auch der Dryadenfels war gut zu erkennen, beinahe
klein und verloren in dem üppigen Grün von Dendras Wald.
Der Drachenbach schlängelte sich wie ein silbernes Eón-Bak
durch den Ort, der Julie zur Heimat geworden war. Daans
Verzweiflung hatte sie berührt, sie musste ihren Vater mal wieder
besuchen. Eltern waren so ... emotional.
Das Nachmittagsläuten begann. Noch immer standen alle
wartend im Halbkreis, als der Vogt einen Sprung weit von ihnen
entfernt auftauchte; Tari vor seinen Bauch gepresst, ein Messer an
ihrem Hals.
"Wo ist der Stein?" fragte er.
Anouk, die am weitesten entfernt stand, hielt den Stein
wortlos in die Luft. Der Vogt warf einen Blick darauf und ein
gieriges Glitzern trat in seine Augen.
"Schick das Kind ´rüber!" rief Anouk.
"Erst den Stein", sagte der Vogt.
Alles lief wie erwartet, dachte Julie.
"Gleichzeitig", bot die Hüterin an.
"Ich werfe den Stein hoch, du schiebst das Kind zu uns",
sagte sie.
"Einverstanden."
Tari ließ die Augen niedergeschlagen.
Anouk warf den Stein hoch in die Luft.
Der Vogt stieß Tari von sich. Sie stolperte und fiel zu Boden.
Das war der Moment, auf den Julie gewartet hatte. Blitzschnell
schwebte sie zu der Stelle, an der der Vogt wartete, die Hand
nach dem Stein in der Luft ausgestreckt.
Einen Augenblick bevor seine Fingerspitzen den Stein
berührten, ergriff Julie das magische Artefakt und stieg mit ihm in
die Höhe, außer Reichweite. Aus der Luft sah sie, wie der Vogt
sich aufheulend über Tari warf, bevor Anouk sie erreichen konnte
und mit dem Kind verschwand.
Sie standen noch immer bedrückt an der gleichen Stelle, als
der Vogt aus dem Nichts auftauchte, dieses Mal etwas weiter
entfernt und ohne Tari.
„In einer Stunde!“ schrie er, „sonst ist sie tot. Und keine
Mätzchen dieses Mal!"
Ganz fertig war er noch
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