Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
verschwunden.
*
Der Aufstieg zur Hütte war mit dem Kind beschwerlich
gewesen, aber er hatte sich gelohnt: noch immer prasselten
Glückwünsche auf Julie herab, wie Süßigkeiten auf die Kinder im
Karneval.
Bald hatte sie Ria am Hals hängen, dann wieder Tari, und
einmal sogar für einen Augenblick auch Daan.
"Erzähl noch einmal, wie ist es gewesen?" fragte Chris
strahlend.
„Ich kam gerade zurück von den Katakomben und dachte,
es schadet nicht einen Blick auf den Falkenfels zu werfen. Da sah
ich, wie etwas geworfen wurde. Ich sprang hinterher, schwebte,
fing Tari auf- und da sind wir“, erzählte Julie.
Alle strahlten, nur der Blick aus Taris Augen wirkte
verhalten, aber das war kein Wunder- bei dem Schlag, den sie auf
den Kopf bekommen hatte. Verraten konnte das Kind nichts über
die genauen Umstände ihrer Rettung, sie war die ganze Zeit
bewusstlos gewesen, aber sie wusste davon, dass Julie den Stein
geworfen hatte. Doch Tari sagte nichts. Julie atmete erleichtert
auf.
Es gab keinen logischen Grund, allen die gute Stimmung zu
verderben, von der Sache mit dem Südstein würde sie ihnen am
Morgen erzählen. Immerhin war heute noch die Vereinigung
geplant- da konnten sie sowieso nicht gleich auf die Suche nach
dem Stein gehen.
Wie spät war es?
Mitten in Julies Gedanken hinein ertönte die Abendglocke.
Sie sprang auf. Anouk hatte mehr als deutlich gemacht, dass sie
als Hüterin abtreten musste, wenn die Vereinigung heute schief
ging. Sie war spät dran. Und Meike und Faller Bant waren nicht
die Menschen, die darauf warten würden, dass man ihnen den
Sohn wegnahm.
Die letzte Vereinigung
Julie kam mit wild klopfendem Herzen zum Stehen. Anouk
erreichte den Platz nur einen Augenblick nach ihr.
"Halt!" rief Anouk.
Meike Bant saß schon auf dem Bock des Wagens, Mathys
stieg gerade wieder auf, beschirmt von seinem Ziehvater, der sich
nun umwandte.
"Ihr wart nicht da, also ist es vorbei", sagte er.
"Das ist es erst, wenn ich es sage", antwortete der Merlin.
Julie sah sich verdutzt um. Gerade war der Merlin noch in
Milos Hütte gewesen, er wollte mit Daan, Ria und Tari
nachkommen, und vom Falkenstein aus konnte man eigentlich
nicht nach Tallyn hinein materialisieren. Wie hatte er das
gemacht?
Einerlei, wichtig war, dass er rechtzeitig gekommen war,
um Mathys aufzuhalten.
Verwirrende Gefühle brodelten in Julie, bedrängten sie,
machten ihr Angst. Die Gelassenheit, die sie sich in den letzten
zwei Jahren angeeignet hatte, war durch die Rettung Taris
irgendwie verloren gegangen. Ungebremst stürmten die Gefühle
auf Julie ein. Angst. Mitgefühl mit den Bants. Hoffnung. Ärger
über den Rat. Ärger über sich selbst. Himmel, war das Leben
schon immer so kompliziert gewesen? Was hatte Tari mit ihr
gemacht? Leo war da, nickte ihr zu. Sie hatte lange nicht mit ihm
geredet.
Mit Mienen, die ihre Meinung mehr als deutlich machten,
stiefelten die Bants mit Mathys zurück auf den kleinen Platz.
"Nun sag ihr schon, dass du sie nicht kennst und dann lass
uns gehen", murmelte Mathys Ziehmutter.
"Ich habe das gehört und werte es als Beeinflussung", sagte
der Merlin in einem so scharfen Ton, dass Julie zusammenzuckte.
War er schon jemals in ihrem Beisein so schroff gewesen? Sie
glaubte, nicht.
Daan hastete herbei, Tari an der Hand. Ria war nicht dabei,
aber Julie konnte es ihr nicht verübeln. Sie wusste nicht, ob sie
umgekehrt in der Lage gewesen wäre Ria in so einer Situation
beizustehen.
Mathys nahm sich Zeit, gegen den Rat seiner Ziehmutter.
Mathys. Wie er da stand. Julie lächelte ihn an; ein starkes
Drängen stieg in ihr auf, machte ihr das Atmen schwer. Sie wollte
unbedingt, dass er sie erkannte.
"Mathys", flüsterte sie, so, wie sie es schon so oft zu ihm
gesagt hatte.
Er schaute ihr tief in die Augen- und seufzte.
"Es tut mir so leid. Sie scheint nett zu sein. Aber da ist
nichts, wirklich nichts."
Der Merlin: "Junge, bist du dir absolut sicher?"
"Ich kenne sie nicht."
Mit einem Mal war es so still, dass man eine Nadel hätte
fallen hören können.
Bis ein Schrei die Stille zerriss.
"Neein!"
Tari lief zu Mathys.
"Das lasse ich nicht zu", schrie sie weiter. "Es wird sie beide
zerstören."
Bevor auch nur einer einen Schritt tun konnte, hatte sie
Mathys Beine umklammert, schüttelte ihn.
"Sieh hin“, rief Tari, "sieh sie mit meinen Augen!"
Tari klammerte sich an einem von Mathys Armen fest und
legte die andere Hand über ihre eigenen Augen.
"Was ist das für
Weitere Kostenlose Bücher