Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
kein Auge mehr für
seine Tochter hat. Er wird deine Gedanken und die Realität nicht
mehr unterscheiden können. Dann meldest du dich wie gewohnt.
Um alles andere kümmere ich mich. Und warte nicht zu lange,
nutze die erste Gelegenheit bei der viel los ist, ein Fest, eine
Zusammenkunft, irgendetwas", sagte er. "Ich bin nicht sonderlich
geduldig."
Sie nickte.
Er setzte sich seitlich auf die Tischplatte, wippte mit dem
Dolch.
"Noch Fragen?"
Blass und nervös. Er roch ihre Angst, aber sie hatte sich im
Griff.
"Ja. Auf dem Dolch liegt sicher ein Fluch. Werde ich das
überleben?"
Hier war wohl ein wenig Offenheit angesagt, wenn er so
eng mit ihr zusammenarbeiten wollte.
"Aber sicher. Ich brauche dich noch, und du tust, was man
dir sagt. Warum sollte ich dich opfern?"
Die Farbe kehrte in ihre Wangen zurück.
"Schön. Ich werde tun, was ihr verlangt."
Fataler Wahn
Fröhlich pfeifend sattelte Leo Blau. Er liebte die
Mittsommernacht, und noch mehr liebte er es, diese Nacht in
Ronans Armen zu verbringen. Das ging nicht immer, so manches
Mal verbrachte sein Freund die Mittsommernacht im heiligen
Hain, um nicht zu altern, aber heute wollten sie gemeinsam in der
Höhle bleiben.
Beim Zipsel, hatte Ronan gestern wieder schön gesungen.
Dagegen wirkte sein eigenes Pfeifen erschreckend unmelodisch.
Doch die anderen Pferde schien es nicht zu stören, und Blau war
daran gewöhnt, er traf die Töne sogar besser, seit er Ronan
regelmäßig zuhörte. Also pfiff er weiter, bis die Stalltür klappte.
Mitten im Ton brach Leo ab. So gut, dass es für fremde Ohren
reichte, war er noch nicht.
Doch die beiden, die eintraten, diskutierten so lautstark,
dass es ihnen wohl auch nicht aufgefallen wäre, wenn er weiter
gepfiffen hätte.
Leo bückte sich, um Blaus Hufe auszukratzen.
Anouks Stimme, keine fünf Boxen neben ihm.
"Wenn er sie nicht erkennt, müssen wir eine neue Hüterin
wählen."
"Ist das wirklich nötig? Es kann so Vieles schiefgehen, wie
bei der letzten Auswahl…"
"Himmel, Chris, meinst du ich weiß das nicht? Möchtest du
von jemandem regiert werden, der so kalt ist wie Nereide? Es hat
schon vor langer Zeit angefangen und sie wird von Tag zu Tag
kälter. Irgendwann will ich abtreten, wir wollten doch mehr Zeit
für uns. Kannst du dir Swantje als Hüterin vorstellen? Seit sie
wieder mehr Kontakt mit Tonia hat…"
Anouk brach ab.
"Du hast ja Recht", sagte Chris. „Swantje wäre nicht meine
erste Wahl und Julie hat sich in der letzten Zeit furchtbar
verändert. Aber lass uns doch mal abwarten, was die Zukunft
bringt", sagte Chris.
"Worauf willst du warten? Im Grunde war schon das letzte
Jahr vertan. Du weißt so gut wie ich, dass die Chancen auf eine
erfolgreiche Vereinigung von Jahr zu Jahr schlechter werden.
Jeder Tag trennt. Das ist doch der Grund, warum der Merlin die
Vereinigung auf heute vorverlegt hat."
"Das wusste ich gar nichts", sagte Chris.
"Hättest ja mal fragen können", sagte Anouk.
Oh, oh, dachte Leo. Diesen Ton kannte er von Ronan- wenn
Chris jetzt widersprach…
Doch Chris war zu klug dazu, und auch Leo kam nicht
umhin, einiges noch einmal zu überdenken. Er hatte sich in den
letzten zwei Jahren so seine Gedanken gemacht und festgestellt,
dass er und Julie doch nicht so viel gemeinsam hatten wie anfangs
gedacht. Aber stimmte das wirklich? Oder war es- wie Anouk
sagte- die lähmende Kälte des Bundzaubers, die ihn an ihr störte?
Je mehr er darüber nachdachte, umso schlüssiger schien ihm
Anouks Einschätzung. Das hieß im Umkehrschluss, dass Julie
vielleicht nach heute Abend wieder die Alte wurde, die, die ihm
im Stall die Spinnweben vom Knie gepflückt hatte. Die, die mit
ihm seinen Namen gefunden hatte. Julie eben. Aber konnte sie
das alleine schaffen? Würde sie nicht eher sie selbst sein, wenn
Freunde um sie waren? Echte Freunde, nicht solche wie Anouk,
die Julie offenbar schon längst aufgegeben hatte?
Anouk seufzte. "Alles hängt von diesem Abend ab."
Ein Paar Schuhe klapperten über die Stallgasse; ging sie
alleine? Leo lugte über den Rand von Blaus Box. Nein, Chris lief
neben ihr, nur machten seine weichen Sohlen kein Geräusch auf
den Steinen.
Leo schnaubte. Julie und er hatten sich nicht entfremdet, das
arme Ding war dabei ihre Seele zu verlieren. Und sie brauchte ihn
hier.
Er nahm Blau den Sattel wieder ab.
Ronan würde es verstehen.
*
Manchmal genoss er den Trubel, aber heute fand Daan die
Geräuschkulisse einfach nur anstrengend. Das
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