Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
Mathys verbanden, bis der Gesandte sie unwirsch
aufforderte, weiter zu reiten.
Hier, an diesem Wegkreuz, war sie mit ihm abgebogen, um ihn Myra
vorzustellen, ihrer Großmutter. Er hatte gelacht und gescherzt, er könne
ja ein Baummann werden. Dabei war das, wie Julie inzwischen wusste,
nicht möglich. Baummänner gab es nur, wenn eine Baumfrau sich
ungeschlechtlich vermehrte. Manchmal taten sie das, um neue Bäume
zu schaffen, denn Baummänner konnten Dryadenbäume umpflanzen
und neue ansäen, im Gegensatz zu den Baumfrauen.
Julie seufzte. Er fehlte ihr so. Nereide musste einfach zustimmen.
Das Hooksmeer war in der Ferne gut zu erkennen, noch ein Ritt
von einer halben Stunde durch das sanfte Grün des Tals vielleicht.
Der Vanilleduft rupfte kleine Fasern aus Julies Herz und die
leuchtenden Farben der Obsthaine schmerzten in ihren Augen.
Auch hier war sie mit Mathys entlang geritten- es war noch nicht
lange her.
Auf dem Hinweg waren sie entzweit gewesen, aber auf dem
Rückweg hatte er schon gewusst, dass es ihr leid tat- oder nicht?
Wenn sie doch nur mit ihm sprechen, ihm alles erklären könnte.
Julie seufzte. Was, wenn sie es nicht schaffte ihn zurückzuholen?
Der Weg endete und ging in saftiges Grasland über, dem man
ansah, dass es nicht oft betreten wurde. Leuchtende Halme
streckten sich, als versuchten sie die herabhängenden Blätter der
Bäume zu erreichen, um deren Äste herum sich die letzten
warmweißen Nebelfetzen des späten Vormittages sammelten.
Der Gesandte hob die Hand.
Leo schwang sich elegant vom Pferd.
"Absteigen", sagte der Gager. "Von hier aus geht es zu Fuß weiter,
weil das Pferdegetrappel sonst den Jägern die Vögel und Fische
verscheucht."
Julie schwang ihr Bein über die Kruppe und ließ sich seitlich an
Gos warmem Leib entlang auf den Boden rutschen. Honigsüßer
Duft mischte sich in Gos typischen Geruch. Sie nahm ihr Pferd am
Zügel und suchte den Boden ab.
Da, leuchtend gelb auf grün, eine Blume mit vielen kleinen Blüten
auf denen eine Biene emsig herumwerkelte, war die Quelle des
Duftes. Ein Zwergraps. Um die Biene nicht zu stören, schaute
Julie sich weiter um und griff schließlich nach einer gleichartigen
Blüte, rupfte sie ab und steckte sie mit dem Stiel voran zwischen
Satteldecke und Sattel. Der Duft hatte etwas Tröstliches.
Um die nächste Biegung herum tauchte eine Ausbuchtung des
Ufers auf. Der See lag im Gegensatz zu den Wiesen noch im
Schatten, die Bäume drängten sich um die gekräuselte
Wasseroberfläche und zwangen den Nebel in ihrer Mitte zu
verharren. Julie fröstelte, es war kalt hier am Ufer.
Sie versuchte den Seegrund zu erkennen; tatsächlich, der
Widerschein der bemoosten Steine auf dem Grund ließ das
Wasser smaragdfarben schimmern, jeder einzelne Kiesel war gut
zu erkennen. Sehen würde sie also unter Wasser wohl ohne
Probleme, doch die viel wichtigere Frage war: wie würde sie
atmen? Sie stützte sich mit einer Hand in dem weichen Moosbett
auf dem mannshohen Felsbrocken neben ihr ab, streifte Stiefel
und Socke ab, hielt die Fußspitze in Wasser und zuckte
zusammen.
"Kalt, hm?" Leo lächelte.
Julie nickte bibbernd.
"Du musst deine Sachen nicht ausziehen. Die werden sie unten
trocknen", sagte der Gager.
Es war vielleicht albern, aber Julie war heilfroh darüber. Ihre
Kleidung würde zwar die Kälte nicht abhalten, aber der Gedanke,
halb bekleidet oder gar unbekleidet tauchen zu müssen, behagte
ihr gar nicht. Leo hatte wenigsten sein Fell. Sie rieb ihren nassen
Fuß an der Hose ab, trocknete mit der Socke nach- warum
eigentlich, sie würde sowieso gleich in das kalte Seewasser
steigen?!- und zerrte die klamme Socke über den Fuß. Dann
schlüpfte sie in den noch warmen Stiefel und atmete auf. Schon
besser.
„Bindet eure Pferde an, ich lasse meins zu Wasser“, sagte der
Gesandte.
Beunruhigt schaute Julie zu, wie der Seeelf auf sein Pferd zuging.
Sie hatte sich keinen Moment lang überlegt, was sie am See mit
Go machen würde. Jemand zupfte an ihrem Ärmel. Leo.
"Komm, ich zeige dir, wo du Go unterstellen kannst, während wir
hier sind."
Typisch, den Namen von Julies Pferd konnte er sich merken, aber
den von ihrem toten Gefährten nicht. So ein Affe.
Sein Pferd am Zügel ging Leo voraus. Julie schnaubte, folgte ihm
aber trotzdem. Wenn die Unterbringung für ein Gagerpferd
angemessen war, würde Go es dort auch gut haben während sie
fort war.
Ein Offenstall, eine riesige Koppel, Raufen mit süßem Heu,
Möhren und Hafer, ganz
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