Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
seiner Tochter. „Bitte Papa, lass mich gehen! Chris hat gesagt, er hilft dir mit dem Husten, und es gibt jede Menge Pferde dort. Und ich komme dich auch besuchen, im Winter sind vier Wochen Ferien!“
„Und was ist mit deinem Geburtstag morgen?“
„Ich darf da reiten, Papa, mehr wünsche ich mir nicht.“ „Gut, Kind, wenn es dein Wunsch ist, werde ich dir vertrauen, wie deine Mutter es gewollt hat. Ich hoffe nur, es ist die richtige Entscheidung.“
Das hoffte Chris auch, denn er hatte den beiden nicht alles erzählt. Was mit den Anwärterinnen früher so alles passiert war, hatte er für sich behalten; so weit ging seine Wahrheitsliebe doch nicht. Julies Vater erhob sich. „Ich gehe kurz duschen, ich will doch nicht so zerknittert sein beim Abschied“, sagte Herr Denes; er lief ganz anders als sonst, jetzt, wo er wieder besser Luft bekam.
„Ich gehe und packe, ich bin gleich wieder da!“, rief Julie aufgeregt ihrem Vater hinterher. Dann wandte sie sich an Chris: „Was muss ich denn mitnehmen?“
„Was du willst“, erwiderte Chris, „aber Elektrogeräte funktionieren bei uns nicht, zu viel Magie.“ Er grinste entschuldigend. „Ach, und Kreuze sind nicht erlaubt, wegen des Schutzbannes.“ Die letzten Worte hörte die aufgeregte Julie schon nicht mehr, sie war bereits in ihrem Zimmer verschwunden.
Aufbruch
Julie besaß nicht viel, die wenigen Anziehsachen und Kleinigkeiten waren schnell gepackt. In nur einem Rucksack und einer Reisetasche war alles bequem verstaut. Eigentlich hätte Julie ein schlechtes Gewissen haben müssen, weil sie ihren Vater allein ließ, aber die Abenteuerlust machte sie eher fröhlich. „Außerdem geht es ihm wirklich besser, er hat mehr Geld und muss nicht husten; und ich besuche ihn ja bald“, schob sie die unguten Gedanken, entgegen ihrer sonstigen Art, einfach beiseite. Julie warf einen letzten Blick auf ihr Zuhause der vergangenen zwölf Jahre. Es war die einzige Welt, die sie kannte. Ein weiterer Blick, diesmal in den Spiegel, der neuen Reithose zu Ehren, zeigte eine zierliche Fast-Zwölfjährige mit hochgeschlossenem Sweatshirt. „Das werde ich auch ändern“, murmelte sie zufrieden, „jetzt ist es ja egal.“
Julie vergewisserte sich mit tausendfach geübtem Griff, dass ihr Kreuz noch an seiner Kette hing. Es war das einzige Schmuckstück, welches ihre Mutter ihr hinterlassen hatte. Erleichtert atmete Julie auf – das Kreuz hing wohl verwahrt unter ihrem Sweatshirt. „In Zukunft trägt Julie Denes Tops, wenn es heiß ist, ätsch!“, sagte sie zu ihrem Spiegelbild, streckte sich selbst die Zunge heraus und machte sich hüpfend auf den Weg nach unten.
Bei Swantje spielte sich das Packen in anderen Dimensionen ab. Unablässig schleppten zwei nur dafür eingeteilte Hausmädchen Kleidung und Accessoires sowie Gebrauchsgegenstände herbei. Swantje saß auf dem Bett und nickte oder schüttelte den Kopf. Was ihr gefiel, packten die Angestellten in einen der zwei großen Koffer. Deren Inhalt hätte am Ende sicher ausgereicht, um ein mittelgroßes Kinderheim auszurüsten. Der Schminkkoffer und der Schuhkoffer waren schon fertig und standen an der Tür. In einem Extraköfferchen waren die eingepackten Geschenke für morgen. Mit viel Mühe schloss Butler Hector gerade den einen überfüllten Riesenkoffer, immer noch ein beglücktes Grinsen auf dem Gesicht. „Ich gehe schon mal nach unten, tragt das Gepäck zum Ausgang“, sagte Swantje. Sie war gut gelaunt und sehr zufrieden darüber, dass sie sich mit dem „Pavillon“ endlich durchgesetzt hatte.
Stu und Swantjes Mutter warteten schon in der Halle. „Sind wir bereit, junge Dame?“, fragte Stu galant.
„Ja, das bin ich.“ Swantje sonnte sich sichtlich im Glanz der respektvollen Anrede. Ein kurzer Moment der Stille breitete sich aus, nur unterbrochen vom Getrappel und Gerumpel der Angestellten. Swantjes Mutter öffnete den Mund, als wolle sie etwas fragen, doch ein besänftigender Blick von Stu ließ sie den Mund kommentarlos wieder zuklappen. Vor Nervosität verteilten sich kleine Schweißtropfen auf Stus Stirn, die Zeit drängte; er öffnete schon einmal die schwere Tür.
Schließlich war auch der Rest der Gepäckstücke unten. Herr und Frau Ricks drückten ihre Tochter noch ein letztes Mal und schnieften in ihre Taschentücher. Auch Hector hielt sich ein Taschentuch vor sein Gesicht, wie Lady Ricks gerührt bemerkte. Doch hätte sie ihn gekannt, hätte sie gewusst, dass es ihm eher darum
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