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Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Titel: Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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Wald. Julie trug ihren Rucksack, Chris die Reisetasche.
    „Wie lange brauchen wir bis nach Tallyn?“, fragte Julie. Sie war ausgeruht und hätte auch ein stundenlanges Gehen durchgehalten, aber sie war gespannt auf ihr neues Zuhause.
    „Zwanzig Minuten von diesem Eingang aus“, erwiderte Chris.
    Überrascht fragte Julie: „Wieso, gibt es noch andere Eingänge?“
    „Ja, man kann von jedem der Mittelalter-Märkte in ganz Deutschland aus nach Tallyn; meist ist der Eingang bei den Korbflechtern, manchmal bei den Schmieden. Nur wo man herauskommt, das ist unterschiedlich; wir sind hier im Sommerwald. Einige der geheimen Zugänge enden an den Feldern, andere am Falkenstein oder in einem der vielen anderen Wälder.“
    Erst jetzt wurde Julie bewusst, wie friedlich der Wald war. Die Bäume warfen ein leuchtendes Lichtspiel auf den ockerfarbenen Weg, an dessen Rand Sauerampfer und kleine Monatserdbeeren wuchsen. „Darf ich?“, fragte sie Chris und zeigte auf die reifen Beeren.
    „Ja, sicher, fühl dich wie zu Hause“, sagte Chris lächelnd, der selbst ergriffen die Anmut dieses lichten Waldstückes betrachtete. „Pass auf mit dem Juckwurz.“ Er deutete auf eine kräftiggelbe Blühpflanze. „Wenn du den berührst, juckt es für mehrere Stunden – das ist kaum auszuhalten. Besonders wenn man noch reibt oder Wärme dazukommt.“ Chris schüttelte sich angewidert – offenbar war ihm das schon passiert. Julie machte einen Bogen um das Kraut.
    Bei den anschließenden Erdbeer-Pflückversuchen riss Julie ein Blatt des Bärlauchs, der zwischen ihr und den Erdbeeren stand, ein. Sofort mischte sich der zarte Beerenduft mit dem würzigen Knoblauchduft des wilden Gewächses. Chris lächelte und setzte sich auf einen bemoosten Felsen. Trotz der Zeitnot ließ er Julie eine ganze Hand voll Beeren pflücken, bevor er zum Aufbruch mahnte.
    Sie waren noch keine fünf Minuten wieder gegangen, als plötzlich etwas mit scharfem Sausen dicht an Julies Ohr vorbei zischte. „Huaah!“, quietschte Julie überrascht, und duckte sich im nächsten Moment, weil das grellrote Etwas, das in atemberaubendem Tempo umherflitzte, ihr sonst mitten ins Gesicht geflogen wäre.
    „Was ist das denn?“, fragte sie mit zittriger Stimme. Ein zweites Etwas gesellte sich dazu. „Sind die gefährlich?“ flüsterte Julie.
    Chris grinste. „Nein, das sind ganz normale Drachen, die tun nichts.“
    „ Drachen ?“, fragte Julie ungläubig. „Wie können das Drachen sein, die sind doch viel zu klein; sind das Babydrachen?“
    Chris verdrehte die Augen. „Jaja, du bist neu. Die Kurzfassung: Drachen sind nur so groß wie Katzen. Die Darstellungen, die du kennst, basieren auf einem Missverständnis. Die ersten Maler haben die Drachen mit Wisbuns auf dem Rücken gezeichnet. Die kleinen Wisbuns lieben Drachen, sie züchten die Tiere seit Jahrhunderten. Wisbuns sehen zwar bis auf die Größe aus wie Menschen, beißen aber gerne und oft zu, deshalb wollten die Maler ihre Auftraggeber nicht mit vergessenen Details ärgern. Aus diesem Grund gab es fast nur Leinwand füllende Portraitbilder von feuerspeienden Drachen und ihren Reitern. Die Bilder wurden oft und schlecht kopiert. Und deshalb fragt jeder Neue, der die Drachen sieht, warum die so klein sind und ob die Feuer spucken.“
    „Ähm“, räusperte sich Julie, “auch auf die Gefahr hin, mich lächerlich zu machen, spucken sie denn Feuer?“
    „Nein, tun sie nicht. Sie locken ihre Weibchen mit Licht an, um sich zu paaren, das ist ähnlich wie bei Glühwürmchen. Mit dem Stoff Luciferin und Sauerstoff werden Lichtquanten gebildet. Aber die Wisbuns haben eine blühende Fantasie, sie bilden sich einiges auf die Leuchtkünste ihrer Drachen ein und mystifizieren sie gerne. – Die hellsten Männchen bekommen die meisten Weibchen, das ist gut für die Zucht. Und wer das Bild bezahlt, bestimmt, hm?“
    Das klang einleuchtend. Julie beobachtete, wie der Drache und seine Gefährtin sich in einer schwindelerregenden Spirale umeinander herum fliegend in den kobaltblauen Himmel schraubten. Die Luft war inzwischen deutlich wärmer geworden, und in den aufkommenden Duft von zertretenem Waldmeister mischte sich das Summen vieler kleiner Insekten. Über einen Bach führte eine alte Holzbrücke. Sie winselte und knarrte bedrohlich, als Julie und Chris gemeinsam hinüber gingen. Der Boden auf der anderen Seite war noch feucht vom Morgentau, hier war es schattig.
    Sie hatten die Hälfte ihres Weges zurückgelegt, als eine

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