Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
ging, nicht durch seinen unangemessen erleichterten Ausdruck den Job zu verlieren, welcher ihm ohne Swantje schon viel akzeptabler erschien.
Angesichts der vielen Koffer wurde Stu mulmig. „Freifrau Ricks“, wandte er sich an Swantjes Mutter, „wir haben sehr exklusive Schuluniformen, damit die teuren privaten Designerstücke nicht leiden. Ein Koffer und ein Extrakoffer sollten eigentlich ausreichen.“ Ein zaghafter Versuch. Swantje sah sofort bockig aus. “Kein Problem“, gab er nach, noch bevor Frau Ricks antworten konnte, „nehmen wir alle mit, es ist ja genug Platz.“
Schon besser: Swantje lächelte wieder, die Krise war abgewendet. Stu packte die zwei Koffer und brach fast zusammen. Unauffällig zauberte er sie leichter. Swantje nahm den Schminkkoffer und die Schuhe. „Die Geschenke!“, erinnerte Frau Ricks und hängte Stu rasch das Köfferchen an einem Riemen um den Hals.
Er ertrug auch das, ohne eine Miene zu verziehen. „Es ist nicht weit bis zum Wagen; und die Adresse in der Schweiz haben Sie ja.“
„Tschüss, Mama, bis bald, Papa, und denkt an den Pavillon!“, verabschiedete sich Swantje und trat mit Stu in das blassgelbe Morgensonnenlicht auf dem Schlosshof. Lady Ricks unsicherer Blick verriet, nicht zum ersten Mal an diesem Morgen, wie sehr sie daran zweifelte, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Aber als sie nachdenklich aus dem altertümlichen Bogenfenster in der Halle auf den Schlosshof blickte, war von Swantje und dem Freiherren schon nichts mehr zu sehen.
Um zu dem Parkplatz vor dem Schloss zu gelangen, hätte Stu eigentlich nach links durch den Torbogen abbiegen müssen – Stu ging jedoch zielstrebig auf den Stand der Korbflechter zu, dessen Zugang zum kleinen Wäldchen am Rand des Schlosshofes zeigte und somit wunderbar versteckt lag. Auf einer Bank vor dem eng gepackten Eingang saß eine zierliche Frau mittleren Alters in voller Gewandung. Zu ihrem grünen Kleid trug sie eine einfache Leinenbluse, die bis zu den schartigen, von den nassen Weidenzweigen verhornten Händen reichte. Die kurzen Haare waren leicht gelockt und so blond, dass sie einen harten Kontrast zu ihrem tiefbraunen Nacken bildeten. Wulf, der Mann der Korbflechterin Gertrud, war das genaue Gegenteil seiner Frau. Groß und massig füllte er fast den ganzen Eingang aus.
„Was wollen wir denn hier, müssen Sie noch einkaufen? Können Sie das nicht bleiben lassen? Ich habe keine Lust, mir hier einen Sonnenbrand zu holen!“, maulte Swantje.
“Einen Moment nur, kleines Fräulein“, murmelte Stu, der sich jetzt so langsam wirklich einfallen lassen musste, was er Swantje in dreißig Sekunden sagen sollte. Denn spätestens dann würde der Schwindel mit dem Internat in der Schweiz auffliegen. Wulf ließ Stu und Swantje mit einem Nicken einfach an sich vorbei, als ob die beiden sich im Stand umsehen wollten. Stu balancierte die Koffer zwischen den gestapelten Körben hindurch zu einer geflochtenen Wand. „Nach Ihnen“, sagte er galant. Swantje ging hinter die Korbwand – und befand sich plötzlich mitten in einem neuen Wald: Der Stand der Korbflechter war verschwunden! Und auch sonst sah alles ganz anders aus.
Sie blieb so abrupt stehen, dass Stu, der hinter ihr gelaufen war, kurz gegen ihren Rücken prallte. Er hatte zwar versucht sich auf Weinen oder Schimpfen vorzubereiten, aber das, was jetzt kam, übertraf seine Befürchtungen bei weitem. Swantje schimpfte und schrie sehr laut und sehr unflätig, und es wirkte nicht, als würde sie jemals wieder aufhören.
„Braucht die denn überhaupt keine Luft?“, flüsterte Stu leise vor Erstaunen; schuldbewußt schaute er auf seine Füße. Die Zeit, bis das Gebrüll dann doch in ein leiseres Genörgel überging kam ihm vor wie eine Ewigkeit. Stu nutzte den günstigen Moment dankbar, um Swantje alles zu erklären.
Als Julie mit Chris zum Stand kam, war Swantjes Geschrei schon ein Weilchen verhallt. Julie wusste, worum es ging, und auch vom Eingang in die andere Welt. Sie grüßte Gertrud und Wulf höflich und trat mit Chris hinter die Korbwand. Kaum war sie auf der anderen Seite im Wald angekommen, ging ein merkwürdiges Beben durch ihren Körper. Von einem Moment auf den anderen fühlte sie sich energiegeladen wie nie zuvor. Jede Faser ihres Körpers schien kurz zu hüpfen. Dann war alles vorbei wie ein Spuk, aber die Müdigkeit des anstrengenden Morgens war trotzdem wie weggeblasen. Zu Fuß machten sie sich auf den Weg durch den erwachenden
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