Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
können, anstatt hier Trübsal zu blasen.“
Daans ungewohnt befehlender Ton ließ keinen Widerspruch zu – und enthielt eine positive Botschaft. Genau das hatten seine beiden Freunde jetzt gebraucht.
Mathys sagte: “Wir könnten einen Plan vom Jagdwald suchen und uns eine Strategie überlegen!“
Julie nickte eifrig. „Und ich kann mir vielleicht ein Buch leihen, Chris hatte eins über den Jagdwald bei sich stehen, das hat er mir erzählt, und Zeit genug haben wir ja.“
Mit dem Gefühl, etwas tun zu können, ging es den beiden schon viel besser. Daan grinste zufrieden.
Das kleine Grüppchen trennte sich, und jeder hatte eine Idee, wie er versuchen konnte, etwas zum Gelingen der schwierigen Prüfung beizutragen.
Daan hatte sein Ziel nicht verraten, und die anderen hatten nicht gefragt. Sie waren es gewöhnt, dass der Halbelf ihnen nicht erzählte, was er vorhatte; er würde schon seinen Teil tun, um zu helfen, soviel war sicher.
Daan lief in die Wirtschaftsküche. Er wollte zu Aewore gehen; wenn jemand Rat wusste, dann sie. Aewore, die uralte Küchenfrau, hatte irgendwann aufgehört zu zählen, wie alt sie war, aber sie erinnerte sich an alles sehr genau. Aewore hatte Daan oft genug mit Geschichten getröstet, wenn er schweigsam und unglücklich bei ihr gesessen hatte, obwohl er nicht einmal ihr anvertraut hatte, was ihn so tief bedrückte. Sie würde ihm sicher helfen. Er fand Aewore in den Nebenräumen der Wirtschaftsküche.
Der gestampfte Boden war ordentlich gefegt; Kräuter hingen zum Trocknen von geschmiedeten Eisenhaken an der Decke und verströmten einen intensiven Duft nach Pfefferminze, Kamille, Thymian und Salbei. Der große hölzerne Hackblock in der Mitte des weißgekalkten Raumes war über und über mit Blut und Federn bedeckt. Im Gegensatz zu den jüngeren Küchenhilfen rupfte Aewore die fetten Hühner lieber im Stehen, da ihr der Rücken Probleme machte. Als Daan die schwere Holztür öffnete und eintrat, stob eine Wolke von weniger verklebten Federn hoch. Aewore blinzelte, ihre alten gutmütigen Augen sahen gegen das Licht nicht mehr all zu gut. „Daan, mein Junge, ist alles in Ordnung?“ Sie lächelte ihn an. Doch statt des üblichen gebrummten „hm“ sagte er: „Aewore, ich brauche Hilfe.“
Aewore war höchst überrascht, ja schon fast erschüttert. Doch ruhig sagte sie: “Was auch immer ich für dich tun kann, mein Junge, werde ich tun. Willst du mir nicht erst einmal sagen, was los ist?“
Daan erzählte ihr in wenigen Sätzen die ganze Geschichte und fügte noch erklärend hinzu: „Ich habe mich irgendwie an Julie gewöhnt, auch wenn sie dauernd mit Mathys herumrennt. Außerdem ist Mathys bestimmt traurig, wenn sie geht.“
Nachdenklich strich sich die alte Frau mit dem Ärmelsaum über das faltige Gesicht, um eine kitzelnde Feder wegzuwischen. „Es gibt da eine alte Geschichte, sie war schon alt, als ich ein Kind war. Die Leute sprachen vom weißen Hirsch mit Mitleid, fast so, als ob er eine menschliche Seele hätte. Besonders oft wurde eine Frau im Wald gesehen; sie besuchte den Hirsch und pflegte ihn, wenn er auf einer der Jagden verletzt worden war. Dabei war der Hirsch sehr scheu ihr gegenüber; eines Tages war die Frau verschwunden. Der Hirsch blieb im Wald. Er muss Zauberkräfte haben, denn er wurde dabei beobachtet, wie er sich manchmal Haare ausrupfte und verletzten Tieren auf deren Wunden legte; die Wunden verschwanden sofort. Einen Ratsvorsitzenden faszinierte die Geschichte, er beobachtete den Hirsch lange Jahre. Schließlich ging er mit einem Sack Kastanien in den Wald und kam mit einer Handvoll Haare wieder. Seitdem gibt es regelmäßig einen Heiltrank aus den Haaren, der für besondere Gelegenheiten aufgespart wird, denn der Rohstoff ist knapp, man kann ihm nur zu bestimmten Zeiten Haare ausrupfen …“
Aewore wischte sich die Hände an einem Leintuch ordentlich sauber und strich Daan mit einer mütterlichen Geste über das Haar. “Die Wirkung hast du ja am eigenen Leibe erfahren, ohne den Hirsch wärst du heute tot, mein Junge.“ Nachdenklich ging Daan in dem geräumigen Raum herum. Er zerrieb ein Blatt von den Minzebüscheln und freute sich an dem verströmten Duft. „Kastanien also – und ich verdanke dem Hirsch mein Leben“, murmelte der Halbelf. Er verbeugte sich knapp vor der alten Frau. „Ich danke dir, Aewore.“ Ungewohnt gefühlsduselig gab er noch hinzu: “Auch sonst so, für alles eben …“, und verschwand dann hastig nach
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