DS030 - Hannah,die Hexe
hatte und sie doch einer Frau gehörte.
»Sie irren sich nicht«, sagte die Gestalt. »Aber das Skelett ist nicht mehr da. Es ist gestohlen worden.«
»Aha«, sagte Doc uninteressiert. »Wer könnte es gestohlen haben?«
Die Gestalt zuckte die Achseln.
»Das ist nicht wichtig«, sagte sie. »Es hat immer im Glockenturm gehangen, aber jetzt ist es nicht mehr da.«
»Würde es Ihnen etwas ausmachen«, sagte Doc, »mir mitzuteilen, wer Sie sind?«
»Ich bin die Hexe«, erläuterte die Gestalt und kicherte wieder. »Die Leute nennen mich Hannah. Auf dem größten Grabstein draußen steht mein Name, Sie können sich überzeugen. Die Leute haben eine Wut auf mich, weil ich nicht tot bleibe.«
Docs Gesicht blieb ausdruckslos.
»Tot?« fragte er höflich.
»Hehe!« sagte Hannah. »Man hat mich vor hundert Jahren begraben!«
6.
Doc Savage glaubte nicht an Hexen; das änderte aber nichts daran, daß der junge Ingenieur Miles Billings verschwunden war, nachdem man ihn in einem Zustand angetroffen hatte, den auch einigermaßen aufgeklärte Menschen mit dem Ausdruck verhext umschrieben. Auch Renny, ein Hüne mit wahrhaft furchterregenden Fäusten, der in jeder Lage seinen Mann stehen konnte, war verschollen, nachdem er sich ähnlich wirr benommen hatte. Schließlich war auch das Mädchen spurlos untergetaucht, und Monk hatte sich ebenfalls ungewöhnlich benommen und sich wahrscheinlich nur dank seiner größeren Widerstandskraft vorzeitig erholt. Und nun stand also eine Gestalt vor Doc Savage, die sich selbst eine Hexe nannte und behauptete, seit hundert Jahren tot zu sein.
Doc wurde nachdenklich.
»Für mich ist die Sache noch nicht erledigt«, sagte er ruhig. »Ich möchte wissen, was es mit dem Skelett auf sich hat.«
Hannah schmunzelte, die Frage schien sie zu amüsieren.
»Das Skelett hing im Glockenturm«, erläuterte sie noch einmal. »Die Leute, die es gestohlen haben, werden bald sterben!«
»Wann?« wollte Doc wissen. »Wodurch?«
Hannas Augen wurden tückisch.
»Das geht Sie nichts an!«
»Bestimmt ist das Skelett nicht wichtig«, sagte Doc langsam. »Die Schnellstraße wird wahrscheinlich mitten durch den Friedhof gebaut, das heißt, die Kirche wird abgerissen. Da kommt es auf ein Skelett auch nicht mehr an.«
»Nein!« kreischte Hannah. Abwesend streichelte sie die Katze. »Die Einwohner der Stadt werden das nicht zulassen.«
»Die Stadt ist leer«, sagte Doc lauernd. »Es gibt keine Einwohner.«
»Sie täuschen sich!« keifte Hannah. »Hier sind mehr Lebewesen, als Sie ahnen, und niemand kann sie vernichten, ihr Leben ist ewig! Sie rächen sich an den sogenannten Lebenden. Miles Billings hat uns geärgert, und dann dieser Renwick, und ...«
Doc trat einen Schritt vor. Hannah wich in die Bankreihe und drückte die Katze an die Brust.
»Was wissen Sie über Renwick?« fragte Doc scharf.
Die Hexe kicherte schrill.
»Vielleicht hat Renwick das Skelett gestohlen«, sagte sie weise. »Es ist doch möglich ...«
»Vielleicht hat er das Skelett gestohlen«, sagte Doc nachdenklich. »Warum sollte er?«
»Ich kann Sie zu ihm führen.« Hannah deutete zur Tür. »Aber Sie müssen mir aus dem Weg gehen, Sie müssen auch die Lampe ausschalten. Wir brauchen kein Licht.«
Doc löschte die Lampe und trat gehorsam zurück. Hannah glitt an ihm vorbei aus der Kirche und um das Gebäude herum zu den Bäumen. Doc folgte, und es kostete ihn einige Mühe, die Gestalt in der Finsternis nicht aus den Augen zu verlieren. Der Mond war noch nicht aufgegangen, und unter den Bäumen war es dunkel wie in einer Höhle.
Der Pfad führte etwa eine Meile über ebenes Gelände, dann stieg er steil an, und es wurde etwas heller. Doc sah, daß er eine kleine Lichtung vor sich hatte. In der Mitte der Lichtung stand eine Hütte, aus deren Kamin Rauch quoll.
»Gehen Sie ’rein.« Hannah deutete auf die Hütte. »Er ist da drin.«
Doc drückte behutsam die Tür auf; er war auf Überraschungen vorbereitet. Die Hütte bestand aus einem einzigen Raum, der vom flackernden Feuer einer Kochstelle erhellt war. An einer Kette über dem Herd hing ein Topf, in dem es heftig brodelte. Doc wandte sich an Hannah.
»Da ist niemand«, sagte er.
»Wenn Sie sich da mal bloß nicht täuschen«, sagte eine spöttische Stimme über ihm.
Auf einem Dachsparren stand geduckt ein Mann und hielt in jeder Hand einen Revolver. Der Mann war etwa einsachtzig groß, hatte ein bemerkenswert unsympathisches, glattrasiertes Gesicht und
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