DS045 - Die Macht des Shimba
lungern, ist in dieser Gegend nicht verboten.«
»Man sollte es verbieten«, meinte Johnny. »Aber einem solchen Gesetz wäre nur mit beträchtlichem Aufwand Geltung zu verschaffen.«
»Ich werde mich mal mit dem Mann unterhalten«, erklärte Doc. »Aber zuerst muß ich ihn wieder zum Leben erwecken.«
Er nahm dem Neger den Turban ab, und riesige, grotesk verzerrte Ohren wurden sichtbar. Mit einer sanften Massage an der Schädelbasis holte Doc den Neger ins Bewußtsein zurück. Der Farbige starrte ihn glasig an.
»Wer hat dich in diese Straße geschickt?« fragte Doc. Er sprach langsam, damit der Gefangene ihn verstehen konnte, falls er überhaupt Englisch verstand. »Wer hat dir befohlen, uns zu belauern?«
Das Gesicht des Gefangenen blieb ausdruckslos. Doc wiederholte die Frage auf Französisch und in gebrochenem Kisuaheli; das Resultat war das gleiche. Johnny, Monk und Ham verloren das Interesse an der einseitigen Konversation. Sie stiegen in Docs großen Tankwagen, um Sprit zu beschaffen. Doc durchsuchte die Taschen des Negers – er trug Jeans und eine zerschlissene dünne Jacke doch der Gefangene hatte nichts bei sich, das Aufschluß über seine Identität oder seine Herkunft hätte geben können. Er hatte nicht einmal eine Schußwaffe oder ein Messer.
Monk bugsierte den Tankwagen zum Tor, Doc ging hin und öffnete. Der Wagen rollte auf die Fahrbahn, Doc lief wieder zu dem Gefangenen. Er sah eben noch, wie dieser einen winzigen Gegenstand in den Mund schob und krachend zerbiß. Der Neger schluckte, bäumte sich auf, zitterte heftig und streckte sich schließlich aufatmend auf der Erde aus. Er wirkte so zufrieden, als wäre er nach einer langen, anstrengenden Reise endlich heimgekehrt.
Doc verfluchte sich wegen seiner Unachtsamkeit. Er hätte den Gefangenen keine Sekunde aus den Augen lassen dürfen, und er hätte ihn noch gründlicher durchsuchen sollen. Doch mit einem Selbstmord hatte er nicht gerechnet. Der Neger hatte keinen Grund, sich umzubringen, aber offenkundig war er selber nicht dieser Meinung gewesen.
Er drückte dem Neger die Augen zu. Der Unterkiefer des Negers sackte herab, und ein schwacher Geruch verriet Doc, daß der Mann eine sogenannte Esere-Bohne gegessen hatte, die ein tödliches Gift enthielt. Er wußte, daß diese Bohnen in Afrika dazu benutzt wurden, unbeliebte Verwandte und andere Zeitgenossen aus der Welt zu befördern.
Telefonisch verständigte er die Polizei und wartete, bis seine Gefährten mit dem Tankwagen wiederkamen. Während sie die große dreimotorige Maschine auftankten und sich auf einen Besuch durch die Polizei vorbereiteten, fuhr Doc mit einem Taxi zu dem Lagerhaus an der Upper Eastside, wo Ham und Monk am Abend den Wagen abgestellt hatten. Das Fahrzeug war noch da; in Anbetracht der Verhältnisse in New York ein beachtlicher Umstand.
Cardoti erwartete ihn vor dem Portal. Anscheinend wartete er schon eine ganze Weile und war nicht wenig aufgeregt. Er lehnte es ab, Doc nach oben zu begleiten; angeblich hatte er keine Zeit. Er hatte noch einige Vorbereitungen für die Beerdigung des Prinzen Zaban zu treffen, die am Nachmittag stattfinden sollte. Cardoti hatte, so jedenfalls berichtete er, mit der Polizei telefoniert, doch sie hatte abgelehnt, Zaban in seine Heimat überführen zu lassen. Die Gründe dafür hatte man Cardoti nicht mitgeteilt.
»Aber deswegen bin ich nicht hier«, erklärte er. »Miß Savage scheint schon wieder entführt worden zu sein! Allerdings war sie daran nicht unschuldig. Sie war mit mir im Taxi, ich wollte sie nach Hause bringen, wie Sie wissen, und plötzlich ist sie ausgestiegen; mitten auf der Straße! Ich weiß nicht, was aus ihr geworden ist. Ich habe einen Verdacht, daß jemand sie in eine schwarze Limousine mit einem Neger am Steuer gezerrt haben könnte, aber beweisen kann ich diesen Verdacht nicht. Ich habe den ganzen Morgen immer wieder mit dem Schönheitssalon telefoniert, aber Miß Savage ist bisher nicht wieder aufgetaucht. Ich hielt es für angebracht, Sie zu verständigen.«
»Wie unangenehm!« Doc runzelte die Stirn. »Pat ist manchmal eigensinnig. Sie erzählen mir also nichts Neues. Leider kann solcher Eigensinn manchmal gefährlich sein. Ich danke Ihnen für die Nachricht. Wenn Sie sich die Nummer der schwarzen Limousine gemerkt hätten, könnten wir damit vielleicht was anfangen, aber so, wie die Verhältnisse sind, können wir nur auf einen Zufall vertrauen. In New York gibt es mehr schwarze Limousinen als in ganz
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