DS052 - Der Mann vom Mond
nie eine Waffe bei sich. Er war davon überzeugt, daß man sich allzu leicht an ein Schießeisen gewöhnte und hilflos war, wenn es durch Tücke oder Zufall verloren ging.
Im Hochhaus hatte sich in der letzten Zeit eine Veränderung vollzogen. Vielen Leuten war bekannt geworden, daß Doc Savage hier residierte, und die sechsundachtzigste Etage hatte sich zu einem ungemütlichen Aufenthalt entwickelt. Daher hatte Doc das Gerücht ausstreuen lassen, er wäre umgezogen, überdies hatte die Verwaltung den dreizehnten Stock eliminiert, wie es in vielen Hotels üblich war aus Rücksicht auf abergläubische Gäste. Aus der dreizehnten war die vierzehnte Etage geworden, und die sechsundachtzigste gab es offiziell nicht mehr.
Auch vor dem Haupteingang lungerten Journalisten. Renny und Long Tom wichen ihnen aus, indem sie die Wagen in die Tiefgarage lenkten, von deren Existenz nicht einmal sämtliche Hausmeister etwas ahnten. Mit einem Lift fuhren die Männer und die beiden Frauen nach oben, Renny schloß die Tür zu Docs Wohnung auf und ließ Pat, Lin Pretti und O’Hannigan voraus ins Empfangszimmer treten. Ham und Monk schleiften Vesterate herein, Long Tom bildete die Nachhut. Das Empfangszimmer war mit einem eingelegten Tisch, der Doc als Arbeitsplatz diente, einem zweiten, runden Tisch, etlichen Sesseln und einem Panzerschrank vergleichsweise bescheiden eingerichtet. Auf dem Boden lag ein großer orientalischer Teppich.
»Wir sollten Vesterate auf eine Couch in der Bibliothek bringen«, meinte Monk. Er schielte zu Lin, die immer noch Handschellen trug. »Wir sollten auch dem Mädchen die Fesseln abnehmen.«
Ham nickte, und sie transportierten Vesterate in die Bibliothek. Sie betteten ihn sanft auf einen Diwan und deckten ihn sorgfältig zu, dann kehrten sie ins Empfangszimmer zurück. Ham wandte sich zu Pat, die den Platz hinter dem eingelegten Tisch eingenommen hatte.
»Geben Sie mir bitte die Schlüssel für die Handschellen«, sagte er. »Wir behandeln die arme Lin wie einen Schwerverbrecher.«
»Sie ist ein Schwerverbrecher!« behauptete Pat. »Sie ist noch schlimmer als ein Verbrecher, sie ist ein Spion!«
»Und wenn schon.« Monk mischte sich ein. »Hier oben kann sie nicht ausrücken.«
Ham musterte finster Monk, dieser erwiderte den Blick. Beide hatten eine Schwäche für hübsche Frauen und sich dadurch schon etliche Unannehmlichkeiten zugezogen, wenn die Frauen sich plötzlich als tückische Gangsterbräute entpuppt hatten. Aber Ham hatte aus diesen Erfahrungen nicht viel gelernt und Monk gar nichts. Jetzt lag beiden daran, bei Lin Pretti einen guten Eindruck zu erwecken.
Pat lag nichts an diesem Eindruck, obendrein empfand sie Lin als Rivalin. Sie weigerte sich, den Schlüssel herauszurücken. Ham und Monk argumentierten, sie ließen nicht locker, und Pat gab nicht nach. Lin Pretti ließ sich unterdessen auf einen Sessel fallen und starrte trübe vor sich hin. Renny und Long Tom hatten den läppischen Streit bald satt, sie zogen sich in die Bibliothek zurück. O’Hannigan sackte auf einen zweiten Sessel und steckte sich eine Zigarette an. Er schien das Gezeter amüsant zu finden.
Wenige Minuten später platzte Renny wieder ins Empfangszimmer, er war aufgeregt, sein Puritanergesicht leuchtete.
»Vesterate!« sagte er. »Er ist bei Besinnung!«
Vesterate befand sich in einer Art Dämmerzustand. Seine Augen waren offen, aber glasig. Renny war davon überzeugt, daß Vesterate gar nicht so benommen sein konnte, um vor Fremden zu sprechen, immerhin war er ein Geheimagent, und solche Leute können verschwiegen sein. Lin Pretti hatte es bis zum Überdruß bewiesen. Aber ihre eigene Neugier – und Docs Drohung, sie möglicherweise den Behörden zu übergeben – veranlaßte sie dazu, auf Rennys Vorschlag einzugehen, den er ihr flüsternd unterbreitete: Sie sollte sich mit Vesterate unterhalten, alle anderen sollten außer Sicht bleiben. Die Fragen, die Lin stellen sollte, kritzelte Renny auf einen Fetzen Papier.
Lin verlangte lediglich, endlich die Handschellen loszuwerden. Widerstrebend gab Pat nun doch die Schlüssel heraus. Ham schloß die Fessel auf, wofür er sich von Monk einen schiefen Blick einhandelte, Long Tom führte das Mädchen in die Bibliothek. O’Hannigan, die übrigen Männer und Pat schlichen hinter ihnen her. Lin setzte sich zu Vesterate und strich ihm behutsam über die Stirn.
Vesterate sah sie aufmerksam an, in seinen Augen flackerte Verständnis. Offenbar erkannte er Lin. Renny
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