DS055 - Der Allwissende

maskierten Gestalten. Unmittelbar neben ihrem Kopf stand die Kiste.
    Das war alles. Die Frau, drei Beduinen und einer von Whitey Janos Gangstern, wie die Belagerten inzwischen festgestellt hatten.
    Einer der Maskierten stand jetzt auf und kam langsam heran. Es war der weiße Gangster, und wahrscheinlich war sein Gesicht unter der Maske zu einem höhnischen Grinsen verzogen. Er wußte, daß er vor Kugeln sicher war. Die Frau im Sand war ein weiterer Schutz für ihn.
    Cartheris stöhnte: »Aber sie lebt wenigstens noch. Ich habe gerade gesehen, wie sie sich bewegte.«
    »Okay, ihr Typen«, schnarrte der maskierte Gangster, als er sich dem Steinwall im Höhleneingang auf zwanzig Schritte genähert hatte. »Ihr alle zieht jetzt die Anzüge aus, und dann kommt ihr mit erhobenen Händen heraus. Seid ihr schön brav, passiert nichts. Macht ihr Zicken, kriegt die Puppe eine Dosis von der Todeskugel verpaßt. Klar? Ihr habt genau fünf Minuten Zeit, euch zu entschließen.«
    Ranyon Cartheris’ Gesicht war kalkweiß. »Ich gehe allein raus. Es ist meine Schwester. Ich will nicht, daß Sie ...«
    »Unsinn!« knurrte Renny. »Es könnte ebenso meine Schwester sein. Was ist da schon für ein Unterschied?«
    »Vielleicht ist es falsch, wenn überhaupt einer von uns hinausgeht«, sagte der alte Mahal. »Sie können die Frau gar nicht töten, wenn sie ihren Trumpf nicht verspielen wollen.«
    »Ein weiser Gedanke«, sagte Johnny, »aber ich würde es dennoch lieber nicht riskieren. Übrigens, Cartheris, warum haben die Männer in den Schutzanzügen, die doch kugelfest sind, nicht längst Ihre Stellung gestürmt?«
    Cartheris deutete auf zwei Kisten, die überschwere Handgranaten enthielten.
    »Das haben sie erst gestern wieder probiert«, sagte er. »Aber gegen Hochbrisanzgranaten schützen die Anzüge nicht.«
    »He!« rief der Gangster. »Ihr habt noch genau zwei Minuten!«
    Renny, der angestrengt durch eines von Cartheris’ Ferngläsern starrte, stieß plötzlich einen Schrei aus. »Das ist gar nicht Lady Fotheran!« brüllte er. »Es ist Pat – Pat Savage! Ich gehe und hol’ sie heraus, komme, was mag!«
    Er war bereits dabei, über die Steinmauer zu klettern, Monk hinterher.
    »Das ändert abrupt, wer gehen soll«, erklärte Johnny und schickte sich an, Renny und Monk zu folgen. »Ihre Schwester ist offenbar noch in einem der Zelte und in Sicherheit.«
    »Es ändert nichts«, erklärte Cartheris. »Mahal, wir müssen alle gehen.«
    »Ja, es ist der Wille Allahs«, bestätigte der alte Beduine.
    Cartheris und seine Beduinen folgten Docs Männern ins Freie. Sie hielten die Hände hoch. Durch den gebrechlichen Mahal wurden sie aufgehalten. Cartheris ging ihnen ein paar Schritte voran. Renny und Monk hingegen waren, ohne sich um die Maskierten zu kümmern, direkt auf Pat zugerannt.
    Von den Felsen über ihnen hallte ein Schrei. Die hohe Gestalt Hadiths erschien dort. Sein juwelenbesetztes Krummschwert blitzte in der Morgensonne.
    »
Tishahum, bism er rassoul!
« hallte das Echo seines Schreis von den Felswänden zurück.
    Ein Dutzend Gewehre in den Felsen spien Feuer.
    Der treue Mahal war der erste, der zu Boden ging. Er fiel flach auf’s Gesicht. Sein letzter Ruf an Allah erstickte in einem Gurgeln.
    Nacheinander sanken auch die anderen Beduinen leblos im Sand zusammen. Blut färbte ihre weißen
abbas
rot.
    Keine Kugel traf jedoch einen Weißen.
    In ohnmächtiger Wut schüttelte Cartheris die Hände über dem Kopf. »Seid verflucht, ihr alle! Tötet auch mich! Habt ihr gehört? Warum schießt ihr nicht?« Er schien momentan wie von Sinnen zu sein.
    Auch Renny und Monk ergingen sich in wilden Flüchen über den Verrat. Alle erwarteten ebenfalls niedergeschossen zu werden.
    »Damit hat sich’s!« schnarrte jedoch der maskierte Gangster. »Ich wußte, daß die Kerle eins verpaßt kriegen würden. Für sie hat der Allwissende keine Verwendung mehr! Ihr übrigen, pariert jetzt schön, dann passiert euch nichts! Verstanden?«
    Trotz seiner Worte waren Renny und Monk zu Pat hingestürzt und hatten die Pflöcke aus dem Boden gerissen, an die sie gefesselt war. Sie versuchte zu lächeln, aber ihre Lippen zitterten. Es war nicht das erstemal, daß sie knapp dem Tod entgangen war, aber die Aussicht, in einen bloßen Schatten verwandelt zu werden, hatte selbst ihre Nerven erschüttert. Renny und Monk mußten ihr helfen aufzustehen.
    Hadiths Araber trieben mit vorgehaltenen Gewehren die sechs Weißen zusammen. Mit Lederriemen aus