DS056 - Der schwarze Tod
Muskel zuckte in seinem Gesicht, als er von drinnen ein leises Geräusch hörte.
Mit einer kaum merklichen Handbewegung verriegelte er die Labortür. Dann unterbrach er die Verbindung zu dem Nebenanschluß im Labor.
Es verging keine halbe Stunde, bis der Polizeichef wieder anrief.
»Wir haben mehr Glück gehabt als erwartet«, berichtete er. »Silky Joe Scarnola sitzt bereits in einer Zelle des Reviers in der 180. Straße in der Bronx. Offiziell bin ich von seiner vorübergehenden Festnahme noch nicht verständigt worden.«
9.
›Seiden-Joe‹ Scarnola war ein Mann, der stets peinlich auf sein gepflegtes Äußeres bedacht war. Im Augenblick schäumte er jedoch vor Wut.
»Dafür werdet ihr blöden Bullen mir büßen!« tobte er in seiner Zelle. »Ich war überhaupt nicht in der City, sondern stand hinter meiner Bar, als die Morde passierten. Ich will sofort Sorrell, meinen Anwalt, sprechen. Auf Schadenersatz werde ich euch verklagen!« Den Revier-Captain ließen diese Drohungen kalt. Der Polizeichef persönlich hatte die Verantwortung dafür übernommen, daß Scarnola bis auf weiteres festgehalten wurde und daß Sorrell, falls er auftauchte, nicht zu ihm gelassen wurde.
Etwa eine Stunde, nachdem Scarnola in seiner Zelle zu toben aufgehört hatte, kam die erste Nachmittagsausgabe einer Zeitung heraus mit der Schlagzeile:
SILKY JOE SCARNOLA IM ZUSAMMENHANG MIT DEN SCHWARZE-FLECK-MORDEN VERHAFTET
Scarnola hatte sich zwar beruhigt, aber von Zeit zu Zeit drohte er immer noch: »Jemand wird noch schwer bereuen, daß ich hier festgehalten werde. Ich will sofort Sorrell sprechen.«
Aber Sorrell erschien nicht. Der Anwalt, der schließlich aufkreuzte, war mindestens ebenso elegant wie Seiden-Joe selbst. Er trug einen Spitzbart mit Schnurrbart und schaute würdevoll drein.
»Mein Name ist Stevens«, erklärte er, »und ich komme mit einer gerichtlichen Verfügung, daß Scarnola sofort freizulassen ist. Sie haben nichts gegen ihn vorliegen, was die Fortdauer seiner Inhaftierung rechtfertigt.«
»Dazu muß ich erst den Polizeichef anrufen«, erklärte der Revier-Captain. »Bisher ist noch überhaupt keine Anklage gegen ihn erhoben worden.«
Zwei Minuten später schaute der Captain verlegen drein.
»Okay, Mr. Stevens. Der Polizeichef sagt, wenn Sie mit einer gerichtlichen Verfügung kommen, können wir Scarnola nicht länger festhalten.«
»Los, holen Sie ihn schon«, brummte Anwalt Stevens. Seiden-Joe starrte erst den Captain, dann Anwalt Stevens an, als er hereingeführt wurde.
»Was soll das?« verlangte er zu wissen. »Wer ist der Kerl?«
Anwalt Stevens trat neben ihn und raunte ihm zu: »Halten Sie den Mund, Sie Narr. Jingles Sporado schickt mich. Ich komme mit einer richterlichen Verfügung und soll Sie hier ohne großes Auf sehen herausholen, aber das kann ich nicht, wenn Sie hier herumbrüllen. Irgendwo ist da eine Panne passiert. Jingles will Sie sofort sprechen.«
Silky Joe Scarnola gab daraufhin keinen Ton mehr von sich. Daß Jingles Sporado ihn hier herausholen ließ, war ihm Erklärung genug.
Als Silky Joe frei war, sprach Anwalt Stevens noch einmal mit ihm. »Hören Sie, Joe«, bemerkte er ganz ruhig, »das ist alles, wozu ich Auftrag habe – Sie hier herauszuholen. Aber Jingles sagte noch, Sie sollen sofort zu ihm kommen. Also dann, viel Glück.«
Damit trat Anwalt Stevens zur Tür hinaus und war verschwunden.
Silky Joe hielt sich für äußerst schlau, aber bei dieser überraschenden Entwicklung der Dinge war selbst er nicht mehr mitgekommen. Er hatte jedoch guten Grund, sich nicht mit Jingles Sporado anlegen zu wollen. Ihre krummen Touren waren in der Vergangenheit vielfach parallel gelaufen; manche kriminellen Unternehmungen hatten sie sogar gemeinsam gedreht. ›Legal‹ war Silky Joe nur nach außen hin geworden, und er hatte auch keine der alten ›Gewohnheiten‹ vergessen.
Sobald Anwalt Stevens verschwunden war, eilte er ihm nach und sah ihn die Treppe zur Hochbahnstation hinaufsteigen, wohl um den nächsten Zug nach Manhattan zu nehmen.
Was Silky Joe entging, war ein völlig veränderter »Anwalt Stevens«, der ohne Spitzbart, Schnurrbart und Hut und dank eines Wendemantels in gänzlich anderer Erscheinung inmitten anderer Fahrgäste die Hochbahnstation wieder verließ und sich hinter das Lenkrad einer geparkten Limousine zwängte.
Indessen sah sich Silky Joe nach einem Taxi um, das keiner der großen Gesellschaften gehörte, weil deren Fahrten hinterher allzu
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