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Dschiheads

Dschiheads

Titel: Dschiheads Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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Ungläubige hat den Alleinigen und Einzigen Gott beleidigt. Er hat geweihten Boden betreten, ohne sich seiner Fußbekleidung zu entledigen. Er hat frech mit der Faust an die Tür des heiligen Tempels geschlagen und Einlass begehrt, ohne sich niederzuwerfen und meine Entscheidung abzuwarten. Das können und wollen wir nicht dulden.«
    Â»Niemals!«, riefen einige aus der Menge.
    Â»Für sein ruchloses Verhalten hat er den Tod verdient!«
    Â»â€¦ hat er den Tod verdient!«, wiederholten die Zuhörer.
    Mich schauderte.
    Der Großarchon gab Gabriel und Michael einen Wink. »Holt ihn her!«
    Die beiden eilten zur Bootshütte am Ende des Landungsstegs, schlossen sie auf und zerrten den gefesselten Schwarzen heraus. Dann packten sie ihn an den Oberarmen, um ihn zum Galgen zu führen.
    In diesem Moment – es war wie ein Wunder – fielen die Fesseln des Mannes ab, und ehe sich die beiden Henkersknechte versahen, klatschten sie links und rechts vom Landungssteg ins Wasser. Der Schwarze hatte sie, kräftig wie er war, einfach beiseitegefegt. Dann wirbelte er herum, rannte den Landungssteg entlang, am Bootshaus vorbei – und sprang in den Fluss.
    Oh, oh, dachte ich, das schafft er doch nie bis ans andere Ufer! Ich ergriff das Ruder und brach mit meinem Rundboot aus dem Schilf hervor. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Gabriel und Michael durchnässt den Steg erklommen, und ich hörte, wie Seine Heiligkeit wütend etwas schrie – ich verstand seine Worte nicht – und die Zuschauer fassungslos in Geheul ausbrachen und mit schrillen Stimmen Grotes Gehilfen wegen ihrer Ungeschicklichkeit beschimpften. Ich meinte auch, die grelle Stimme meiner Mutter aus der Menge herauszuhören, die sich um das Vergnügen betrogen sah, einen Heiden hängen zu sehen.
    Der Fremde trieb rasch ab. Ich ruderte mit aller Kraft, aber es dauerte einige Minuten, bis ich ihn einholte. Sein kahler Schädel trieb auf dem Wasser wie ein schwarzer Ball. Ich hielt auf ihn zu, war vielleicht noch fünf Meter von ihm entfernt.
    Â»He, Mister!«, rief ich ihm zu. »Hierher! Ich helfe dir!«
    Er stieß einen dumpfen Schmerzensschrei aus. Vermutlich hatte ihn etwas gebissen – im Fluss wimmelte es nur so von gefährlichem Viehzeug.
    Endlich erreichte ich ihn. »Halt dich fest, Mister!«
    Er hakte die Oberarme über den Bootsrand, und ich versuchte, ihn hereinzuziehen, doch er war zu schwer, als dass ich viel ausrichten konnte. Gemeinsam schafften wir es schließlich. Keuchend legte er sich auf den Boden des Boots.
    Â»Irgendetwas hat mich im Wasser ins Bein gebissen«, sagte er. »Es tut brutal weh.«
    Ich sah sofort, was ihn da attackiert hatte: An seinem rechten Stiefel hing die abgebrochene Legeranke eines Fletsch.
    Â»Ein Fletsch hat dich gestochen«, sagte ich.
    Â»Ein was?«
    Â»Ein Fletsch. Ein Rankentier.«
    Â»Ist das giftig?«
    Â»Nicht giftig, aber schmerzhaft. Nach ungefähr anderthalb Tagen hast du es überstanden.« Was er allerdings bis dahin würde durchmachen müssen, sagte ich ihm lieber nicht.
    Wir waren inzwischen fast einen Kilometer abgetrieben. Ich reichte dem Schwarzen mein zweites Ruder. »Hilf mir«, sagte ich. »Wir müssen das andere Ufer erreichen und Schutz suchen, bevor die Sonne aufgeht.«
    Er setzte sich auf, griff nach dem Ruder und half mir, über den Fluss zu kommen, wobei er sich erstaunlich geschickt anstellte – es ist nicht leicht, ein Rundboot zu rudern und zu steuern. Währenddessen hielt ich flussabwärts nach einem geeigneten Anlegeplatz Ausschau. Wir waren etwa anderthalb Kilometer vom Dorf entfernt und fuhren dicht am westlichen Ufer entlang. Ich erspähte eine Lücke im Schilf und deutete darauf. »Hier rein! Da sieht man uns nicht. Sie werden bestimmt mit einem Elektroboot nach uns suchen. Der Großarchon wird alles daransetzen, um uns aufzustöbern.«
    Â»Meinst du?«
    Â»Oh, da bin ich mir ganz sicher. Es ist eine große Schmach für ihn, dass du ihm entkommen bist. Er will dich hängen sehen.«
    Â»Tatsächlich?«
    Â»Du wärst nicht der Erste.«
    Â»Ich habe bis zum Schluss nicht geglaubt, dass er mich hinrichten lässt. Ich dachte, er will mich nur einschüchtern, mir einen Denkzettel verpassen. Aber dann bekam ich zunehmend Zweifel, weil sie mir ohne Grund derart hart auf den Kopf geschlagen haben, dass mein Chip zerstört wurde.

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