Dschungel-Gold
Leben überwunden, und wir stehen nackt vor dem Herrn und lassen die Hülle, in der wir steckten, hinter uns verrotten. Wir kehren zurück in die Ewigkeit, um zu sühnen, was unsere Hüllen auf Erden verbrochen haben. Und dann wird der Herr sagen: Du warst auf Erden ein Mistkerl, aber jetzt hast du Zeit, dich im Quell der Demut reinzuwaschen. Ihr wart Menschen – jetzt seid ihr wieder Gottes Kinder …«
Dann folgte die Kommunion. Und da zeigte sich, daß Pater Burgos viel zu wenig Hostien zur Verfügung hatte, um allen die Heilige Speisung zu geben. Eine lange Schlange wild aussehender Männer stand noch vor ihm, als sein Hostienkästchen längst leer war. Und Burgos wußte: Wenn er die Kommunion jetzt abbrach, würde man nicht zögern, aus der schönen neuen Kirche Kleinholz zu machen. Über die Schulter hinweg sagte er zu Dr. Falke, der hinter ihm stand:
»Ich habe keine Hostien mehr! Ich brauche Brot, dringend. Ich werde es vor aller Augen segnen, dann erkennen sie es als geweihte Hostie an. Brot …«
»Wo soll ich so schnell Brot hernehmen?« flüsterte Dr. Falke zurück.
»Aus der Spitalküche …«
»Das wird erst morgen früh geliefert. Ich selbst habe nur noch ein halbes Brot. Das reicht doch nicht …«
Pater Burgos seufzte tief auf und ließ seinen Blick über die wartende Menschenschlange schweifen, die nach einer geweihten Hostie verlangte. »Gott, verzeih mir«, sagte er leise. »Es soll nicht wieder vorkommen, aber jetzt muß es sein. Der Glaube allein macht es, nicht das Materielle.«
Er trat an den provisorischen Altar, hob den Weihwasserkessel hoch und zeigte ihn den Gläubigen. »Meine Lieben«, rief er dabei. »Auch wenn uns die Hostien ausgegangen sind – niemand soll darben und nicht teilhaben an der heiligen Kommunion. Seht, ich tauche meinen Daumen in das geweihte Wasser, und er verwandelt sich in das Fleisch des Herrn. Ein Symbol, das durch die Weihe gesegnet ist. Tretet heran und empfangt die Gnade Gottes.«
Er stellte das Weihwassergefäß ab, tauchte noch einmal seinen Daumen hinein, ließ den ersten Gläubigen herantreten, steckte ihm den Daumen zwischen die Lippen und ließ ihn kurz daran saugen. Gleichzeitig segnete er ihn mit der linken Hand.
»Der nächste«, sagte er dann.
Und so ging es weiter: ein demütiger Mensch mit gesenktem Haupt, die Lippen geöffnet, Daumen ins Weihwasser, ein kurzes Lecken, der Segen. Der nächste. Mund auf, geweihter Daumen hinein, ein frommer Spruch. Der nächste … Es mochten ungefähr dreihundert Goldgräber sein, die sich vor Pater Burgos verneigten und an seinem Daumen leckten. Um ihn nicht anschwellen zu lassen, wechselte er von links nach rechts und von rechts nach links, und Dr. Falke sagte mit tiefem Ernst: »Kühlen Sie die Daumen nachher in Whisky, das hilft!« Burgos antwortete nicht, er knirschte nur mit den Zähnen.
Die letzte Gläubige, die an ihn herantrat, war Belisa García. Ihre drei Brüder hatten noch eine Hostie abbekommen – sie aber hatte bewußt gewartet, bis alle Gläubigen versorgt waren. Mit weit offenen Augen starrte sie zuerst Pater Burgos und dann seinen von Weihwasser nassen, ausgestreckten Daumen an.
»Sie glauben doch nicht, daß ich das tue?« sagte sie leise. Ihre Stimme zischte dabei.
»Niemand zwingt Sie … aber Tausende Augen sehen zu Ihnen hin. Was werden die Leute denken? Die ›Lady‹ verweigert die Kommunion …«
»Was sie denken, ist mir egal!«
»Es wird Rückwirkungen auf die Disziplin haben. Ihr Image wird leiden. Das ist gefährlich. Sie wissen: Hier genügt ein Funke, und alles explodiert. Man wartet ja geradezu auf eine Schwäche von Ihnen. Alle starren zu uns her …«
Belisa schloß die Augen, legte ihre Lippen für eine Sekunde um den feuchten Daumen und empfing den Segen.
»Das vergesse ich Ihnen nie!« sagte sie gepreßt, drehte sich brüsk um und lief zu ihren Brüdern.
»Das war eine Meisterleistung!« hörte Pater Burgos Dr. Falke hinter sich sagen. »Ich gebe zu: Von der Kirche kann man noch etwas lernen. Aber vergessen Sie eines nicht: Sie haben jetzt eine unversöhnliche Feindin. Ich bin gespannt, wann und wie der Gegenschlag kommt.«
Das Abendmahl mit dem in Weihwasser getauchten Daumen sprach sich in Diwata blitzartig herum. Jeder sprach darüber, viele nannten Pater Burgos einen Teufelskerl, der es sogar fertiggebracht hatte, die Gold-Lady an seinem Daumen lutschen zu lassen, und in ›Pedros Ranch‹, einem Schwulenlokal – davon gab es jetzt fünf in Diwata, denn
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