Dschungel-Gold
willen andere umzubringen. Glücksritter, Träumer, Betrüger, vom Leben Ausgekotzte, Mörder … Ihre Patienten! War das Ihr Ziel, als Sie Medizin studierten?«
»Ich hatte das Ziel zu helfen. Wo? Überall, wo Kranke mich brauchen. Auch im höllischen Dschungel, wie Sie es nennen.«
»Der große Idealist!«
»Der Realist, Antonio Pérez. Denken Sie an Ihren Schlangenbiß. Ohne mich würden Sie vielleicht nicht mehr leben.«
»Stimmt! Da erinnern Sie mich an etwas. Was bekommen Sie?«
»Wofür?«
»Für die Behandlung. Die Lebensrettung.«
»Nichts. Die Krankenversorgung in Diwata ist kostenlos. Das ist die neueste soziale Errungenschaft, die Mrs. García eingeführt hat.«
»Und Sie bekommen ein mieses Gehalt …«
»Ich bin dem Chefarzt des Hospitals von Davao gleichgestellt. Auch das ist eine freiwillige Leistung der Gold-Lady. Aber ich brauche das Geld gar nicht. Ich habe alles, was ich benötige. Und wenn ich es nicht habe, besorgen es mir meine Patienten in kürzester Zeit. Was will ich mehr? Ich habe keine Probleme … aber Sie haben welche.«
»Wie meinen Sie das?« Pérez löffelte den Rest seiner Suppe aus dem Blechnapf. Hinterher leckte er den Löffel sorgfältig ab, so wie es die meisten Goldgräber taten. Nur nichts Eßbares verschwenden. Bei ihm jedoch wirkte es deplaziert. Dr. Falke schüttelte den Kopf.
»Sie nennen sich Antonio Pérez, aber Sie sind es nicht. Wer sind Sie wirklich?«
»Gefällt Ihnen der Name Pérez nicht?«
»Von mir aus können Sie Mickymaus heißen …«
»Na also.«
»… aber Sie gehören nicht in diese Diwata-Welt!«
»Ich bin hier, betreibe ein entwicklungsfähiges öffentliches Scheißhaus, also gehöre ich auch hierher! Keine weiteren Fragen!«
»Ich hätte viele.«
»Schade um die Zeit.« Pérez erhob sich von dem Fensterstapel und steckte seine Eßschüssel in einen Brotbeutel. Segeltuch mit Tarnaufdruck. Militärausrüstung. »Ich muß weiterarbeiten. Stören Sie mich nicht. Ihr Krankenhaus soll doch schnell fertig werden. Was stand denn früher hier?«
»Sie hätten erleben sollen, wie es hier noch vor drei Jahren ausgesehen hat.«
»Ich kann es mir denken. Mir genügt, was ich jetzt sehe.«
»Für uns ist die Entwicklung wie ein Wunder. Und dieses Wunder vollbringt die Gold-Lady. Jeden Tag! Neue Maschinen, eine eigene Landwirtschaft, neue Straßen, Kanalisation, moderne Zerkleinerungs- und Waschanlagen für die Goldgewinnung, Baumaterial … und alles wird auf dem Luftweg herangeschafft! Die einzige Straße durch den Dschungel, die nach Davao oder Tagum führt, ist lebensgefährlich und wird von Guerillas kontrolliert, die alles überfallen, ausrauben und töten, was sich über diese Straße bewegt. Ab und zu säubert Avila mit seiner Truppe die Gegend, aber es nutzt wenig – die Rebellen werden immer rechtzeitig gewarnt und tauchen in der Grünen Hölle unter. Ab und zu erwischt man einen.«
»Und dann?«
»Avila läßt sie laufen … mit abgeschnittenen Ohren, Nasen, Fingern, Hoden oder Schwänzen. Als Warnung. Aber auch das nutzt wenig. Die Verstümmelten werden später von den eigenen Kameraden umgebracht. So sieht es hier aus, Pérez. Noch einmal: Was wollen Sie hier?«
»Leben! Nur leben. Nichts als leben.«
»Jemand bedroht Sie? Sie werden verfolgt? Sie sind auf der Flucht? Sie wollen sich hier in der Hölle von Diwata verstecken? Ist es so?«
»Ich gebe Ihnen jetzt auf alle Ihre Fragen eine letzte, endgültige Antwort: Lecken Sie mich am Arsch!«
Pérez drehte sich weg und ging hinüber zu den anderen Arbeitern, die gerade eine Wand einpaßten. Dr. Falke blickte ihm nachdenklich hinterher. Wer war dieser Mann? Er war untergetaucht, wo ihn keiner suchen würde. Wo ihn niemand fragte. Wo er ein Niemand war unter Tausenden Namenlosen. Welch ein Schicksal schleppte er mit sich herum?
Dr. Falke nahm sich vor, sich mehr um Antonio Pérez zu kümmern.
Es war so sicher wie das Amen nach einem Gebet, daß Belisa García das Abendmahl zur Weihe der Kirche nie verzeihen würde. Pater Burgos erlebte es jeden Sonntag: Zwar kam die Gold-Lady zum Beten, aber nie zur Messe, sondern entweder frühmorgens oder am Abend nach Einbruch der Dunkelheit. Sie saß dann allein in der ersten Bank vor dem Altar, auf der nur die Familie García sitzen durfte, betete stumm vor dem riesigen Mahagoni-Kruzifix und tauchte die Hand in das Weihwasserbecken, um sich selbst mit dem Wasser zu besprühen.
Pater Burgos ließ sie in Ruhe; er beobachtete sie heimlich aus
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