Dschungel-Gold
stillos. Sie sind kein Gestrauchelter, der in die Anonymität flüchtet. Was also treibt Sie nach Diwata?«
»Es gibt also keine Unterkunft, die man mieten kann?« wich Tortosa aus. »Nun gut, Gottes Haus ist für jeden da. Kommet ihr Gebrechlichen, auf daß es euch besser gehe. Der Herr ist euer Schutz … Ich bin im Augenblick sehr gebrechlich und werde mir zum Schlafen eine Ecke in der Kirche suchen. Der Herr wird mich beschützen.«
»Und ich, sein Hirte, werde Sie in den Hintern treten!« Pater Burgos sagte es leichthin, als wünsche er seinem Besucher einen guten Tag. »Vielleicht kommen wir uns dann näher.«
»Bestimmt.« Tortosas Stimme war in Wohlwollen gebettet. »Nur ein Mann Ihres Kalibers kann hier als Priester bestehen. Ist der Arzt genauso?«
»Anders.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Dr. Falke ist Teil dieses Urwaldes geworden.«
»Dr. Falke?«
»Ein Deutscher.«
»O je! Ich ahne schon: ein humanistischer Idealist …«
»Jetzt haben Sie sich verraten, Tortosa.« Pater Burgos grinste breit. »Dieser Satz entlarvt Sie. Ihr Trip nach Diwata hat einen speziellen Grund. Nein, nein, ich will es jetzt gar nicht wissen. Sie werden es mir einmal sagen … früher oder später. Ihre Verkleidung als Goldgräber … äußerlich ganz gut, aber wenn Sie den Mund aufmachen … Tortosa, ich warne Sie. Hier ist wirklich eine Filiale der Hölle. Sie sollten mir gegenüber ehrlich sein, zu Ihrem eigenen Schutz.«
»Ich brauche keinen Schutz. Ich weiß mich zu wehren. Und im übrigen: Sie würden nie verstehen, warum ich hier bin. Als Priester halten Sie die Moral hoch – ich aber bin gezwungen, das Wort Moral nicht mehr zu kennen.«
»›Nicht mehr‹ – das klingt nach einem Auftrag.«
»Denken Sie, was Sie wollen.« Tortosa erhob sich von seinem Stuhl. »Ich werde also auf einer Ihrer Kirchenbänke übernachten.«
»Das sehe ich nicht so.«
»Darf ein Priester einen Hilfesuchenden aus der Kirche werfen?«
»Sie brauchen keine Hilfe.«
»Doch.« Tortosa faltete die Hände. »Ich bitte Unseren Herrn um Hilfe.«
»Heuchler. Ich habe viel erlebt, aber …«
»Zu Ihrer Beruhigung: Nur für eine Nacht. Morgen verschwinde ich in dieser Satansstadt. Zufrieden?«
»Nein.«
»Ihr Pfaffen seid aber auch nie zufrieden. Was kann ich Ihnen noch bieten?«
»Als was wollen Sie hier arbeiten? Als Steinbrecher im Berg, am Mahlwerk, in der Quecksilberscheide, im Rodungskommando im Urwald, auf der Plantage …?«
»Wo man mich braucht.«
»Dann ist es am besten, Sie wenden sich zuerst an die Zentrale.«
»So etwas gibt es hier auch?« Tortosa lachte auf. »Selbst in der Hölle regiert die Bürokratie.«
»Richtig. Auch das Chaos muß verwaltet werden. Ihr Ansprechpartner wird Pedro García sein.«
»Wie das klingt: Ansprechpartner!«
»Ja. Es hat sich einiges geändert. Vor drei Jahren sah es hier noch anders aus. Da hieß es: Töte, um zu leben. Der Stärkere hatte immer recht. Und die Stärksten waren der Ingenieur Ramos, der Sicherheitschef Avila und Rogelio Sotto, der Vorarbeiter der Schürfer. Avila und Sotto sind noch da, aber Ramos hat seine Herrschsucht mit dem Leben bezahlt. Die neue Leitung beutet die Leute zwar immer noch aus, aber sie ist menschlicher, so merkwürdig das klingt.«
»Stimmt es, was man sich draußen erzählt?« fragte Tortosa.
»Was?«
»Daß der Boß hier eine Frau sein soll?«
»Es stimmt. Belisa García.«
»Mit ihr sollte ich mal sprechen.«
»Da müssen Sie erst an ihren drei Brüdern vorbei, und das gelingt keinem! Die Gold-Lady wird bewacht, als sei sie selbst aus purem Gold.«
»Sie muß eine außergewöhnliche Frau sein … wie man hört …«
»Sie ist ein Rätsel.« Pater Burgos fragte sich, warum er dem Fremden das alles erzählte. Irgendwie hatte Tortosa in ihm den Verdacht geweckt, daß sein Erscheinen in Diwata einen anderen Grund hatte, als Gold aus dem Berg zu brechen. Je länger er mit ihm sprach, desto drängender wurde die Frage: Was will dieser Mann hier?
»Rätsel?« wiederholte Tortosa.
»Sie baut ein Krankenhaus, eine Kirche, neue, feste Wohnhäuser, legt Plantagen an, organisiert eine anständige Versorgung der Stadt, befestigt Straßen und läßt Abwasserkanäle graben … gleichzeitig aber verlängert sie die Arbeitszeit, treibt die Männer bis zur völligen Erschöpfung in den verfluchten Berg, erhöht die Tagesnorm und senkt den Lohn pro Sack. Wem das nicht paßt, kann gehen – sagt sie. Aber keiner geht. Das weiß sie. Sie ist die
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