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Dschungelkind /

Dschungelkind /

Titel: Dschungelkind / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kuegler
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geht es Sabine? Ist ihr Herz glücklich?« Sie fragen nicht, wie ich wohne oder wie viele Wildschweine ich besitze. Ihre Sorge um mich hat nichts mit meinem Status im Leben zu tun.
    Solange es mir gelingt, darauf zu hören, was der Dschungel mir zu sagen hat, geht es mir gut. Er sagt mir, dass ich mich an den einfachen Dingen des täglichen Lebens erfreuen soll. Ich soll erkennen, dass das Leben von Taten anstatt von Konsum diktiert wird. Er sagt mir, dass Glück nicht in dem besteht, was ich besitze, sondern in meiner Fähigkeit, zufrieden zu sein mit dem, was ich habe.
    Ich muss mich täglich anstrengen, diese Erkenntnisse zu leben, aber der Dschungel hat mir einen Sinn dafür gegeben – und dafür bin ich sehr dankbar.
     
    Doch erst als ich anfing, meine Geschichte zu erzählen und all die Erinnerungen zuzulassen, habe ich wieder ein wenig Lebensglück gefunden. Während der letzten Monate durchlebte ich noch einmal meine Kindheit. Ich habe gelacht, geweint, habe die Sonnenaufgänge vor meinen Augen gesehen, bin mit dem Kanu über den Fluss gefahren und habe die Schönheit der Natur bewundert. Ich habe die alten Bilder und Filme durchgeschaut, die Tagebücher gelesen und mich mit meiner Familie über die Vergangenheit unterhalten.
    Und jetzt, wo ich am Ende dieses Buches angelangt bin, habe ich eines realisiert: Ich werde immer ein Teil des Dschungels sein, und der Dschungel wird immer ein Teil von mir sein. Ich gehöre in zwei Welten und in zwei Kulturen. Ich bin eine deutsche Staatsbürgerin und dennoch ein Dschungelkind.
    »Liebe Sabine …
    dieser Brief, den dir Papa heute schreibt, ist mit großer Trauer verbunden. Häuptling Baou, der uns damals die Erlaubnis gab, bei den Fayu zu leben, ist gestorben.
    Über Radio wurde mir vor kurzem mitgeteilt, dass Häuptling Baou sterbenskrank ist. Ich brach sofort auf zu ihm, doch als ich im Dorf ankam, war er schon tot. Ich war sehr traurig und weinte. Da kam Nakire zu mir und erzählte mir Folgendes:
    Ein paar Tage vor seinem Tod bekam Häuptling Baou panische Angst. Er wusste, seine Zeit war gekommen. Voller Angst rief er einen Vertrauten zu sich. Drei Tage lang beichtete er ihm alles, was er getan hatte: jeden Mann, jede Frau und jedes Kind, das er ermordet hat. Wie du weißt, Sabine, war er einer der gefährlichsten und brutalsten Krieger.
    Plötzlich kamen Frieden und Ruhe in Häuptling Baous Herz. Als die anderen Fayu, die sich um seine Hütte versammelten, anfingen zu weinen, sagte er ihnen: ›Warum weint ihr, freut euch doch für mich. Denn jetzt werde ich den Afou guti, den großen Vater, kennen lernen.‹
    ›Warte, Häuptling Baou, Klausu ist gleich hier‹, sagte Nakire.
    Denn er wusste, genau in diesem Moment war ich in Kordesi gelandet.
    Daraufhin antwortete ihm Häuptling Baou: ›Warum soll ich auf Klausu warten, den kenne ich doch schon. Ich möchte Afou guti endlich sehen.‹
    Damit verabschiedete er sich von jedem Einzelnen, legte seinen Kopf zurück und starb. Man sagte, dass sein Gesicht eine große Ruhe ausstrahlte. Denn endlich, kurz vor seinem Tod, hatte er den Frieden gefunden, nach dem er sich sein Leben lang sehnte.
    Und Sabine, ich bete dafür, dass auch du eines Tages in deinem Leben den Frieden und die Freude findest, die du dir so wünschst. Ich denk an dich und umarme dich ganz, ganz fest … dein Papa.«

Epilog
    E s war unser erstes Familientreffen seit zehn Jahren. Judith und Christian kamen aus den USA , wo sie beide verheiratet sind, nach Hamburg. Papa war kürzlich aus dem Dschungel zurückgekehrt, und Mama war schon seit längerer Zeit hier.
    Wir saßen um den gedeckten Kaffeetisch und unterhielten uns über mein geplantes Buch. Draußen hörten wir meine Kinder und Judiths Sohn, wie sie aufgeregt in einem Wirrwarr aus Deutsch, Englisch und Französisch durcheinander schnatterten.
    Mama seufzte. »Eure Kinder um mich zu haben bringt so viele Erinnerungen zurück. Als ihr klein wart, konnte euch niemand verstehen, der nicht selbst Englisch, Deutsch und Indonesisch sprach.«
    »Wieso als wir klein waren?« Christian zog amüsiert die Brauen hoch. »Wir reden ja zum Teil immer noch so, wenn wir zusammen sind. Und Papa ist der Schlimmste von uns allen!«
    »Ich weiß noch, wie ich meinen ersten Brief von Papa bekam, als ich nach England gegangen war«, kicherte meine hochschwangere Schwester und nahm sich noch ein Stück Schokoladenkuchen. »Ich musste tagelang lachen«, fuhr sie fort, »weil der Brief in bestimmt vier

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