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Dschungelkind /

Dschungelkind /

Titel: Dschungelkind / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kuegler
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und fuhren kurz entschlossen los, um Nakire aufzuspüren. Sie nahmen Kurs auf das Kirikiri-Gebiet, suchten die Lichtung, wo Nakire angeblich lebte – und fanden tatsächlich den richtigen Mann! Durch die Jahre haben wir immer wieder gestaunt, wie schnell sich Informationen im Dschungel verbreiten: Nakire wusste schon, dass man ihn suchte.
    Das Team stieg aus und wurde herzlich begrüßt. Nakire bot ihnen ein Nachtlager an, weil es schon dunkel wurde. Seine Hütte war zwar klein, ziemlich schmutzig und verkommen, doch wenigstens hatte sie ein aus Palmblättern geflochtenes Dach, das ein wenig Schutz bot.
    An diesem Abend noch, vor dem Lagerfeuer, fragte Papa, ob Nakire bereit wäre, ihn als Führer und Übersetzer ins Fayu-Gebiet zu begleiten. Nakire willigte ein. Damit war die Sprachkette lückenlos, und man würde sich über drei Sprachen verständigen können. Am nächsten Morgen machte sich die nun fünfköpfige Gruppe auf den Weg.
     
    Bevor Papa zu seiner zweiten Expedition aufbrach, hatte er eine Landkarte angefertigt, die alle Informationen aus seiner ersten Expedition enthielt, und dazu noch alles, was er von den Ureinwohnern erfahren konnte. Diese Landkarte hatte er in nummerierte Kästchen aufgeteilt, mit dem Dorf Polita im Zentrum. Vorsichtig geworden, hinterließ er eine Kopie der Karte in der Funksprechzentrale von Danau Bira, von wo man seine Reise verfolgen und täglich mit ihm Funkkontakt aufnehmen würde. Der Helikopter, der sie im Falle einer Notsituation aus dem Dschungel holen konnte, stand bereit. Anhand des nummerierten Rasters würde der Pilot sich ungefähr ausrechnen können, wo sie sich befanden.
    Diese allererste Karte ähnelte der unten aufgeführten Skizze.

    Nach mehreren Stunden flussaufwärts wurde Nakire zunehmend unruhiger. Er suchte nervös das Ufer ab. Der Fluss wurde schmaler, das Ufer schien immer näher zu kommen, dichte Bäume und Pflanzen neigten sich über das Wasser. Plötzlich zeigte Nakire mit dem Finger auf etwas, aber Papa sah nichts als ein paar gefällte Baumstämme.
    »Was ist das?«, ließ Papa übersetzen.
    »Das sind Warnzeichen … wir sind im Fayu-Gebiet angekommen«, erwiderte Nakire.
    Es wurde ganz still im Kanu, nur das Dröhnen des Motors und das Plätschern des Wassers waren zu hören. Plötzlich fuhr Nakire zusammen und flüsterte ängstlich: »Da, könnt ihr es sehen?«
    Papa schaute zum Ufer, konnte aber nichts erkennen.
    Nakire hatte Augen gesehen, schwarze Augen, dunkle Gestalten … sie wurden bereits heimlich verfolgt.
    Wie Papa später erfuhr, war das ein erster Hinterhalt gewesen. Jeder, der flussaufwärts kam, lief Gefahr, getötet zu werden. Aber weil die Krieger noch nie einen weißen Menschen gesehen hatten, waren sie so erschrocken, dass der Pfeil nicht losging.
    Das Kanu fuhr weiter, doch kein Mensch war zu sehen, und die wenigen Hütten, die sie passierten, waren leer. Dann sah Papa ein paar Kanus, die am Ufer festgebunden waren. »Wo Kanus sind, müssen auch Menschen sein«, dachte er sich und entschied, das Ufer anzusteuern, um sich umzuschauen.
    Als Erster sprang einer der Dani an Land und band das Kanu fest an einen Baumstamm. Papa sagte zu Nakire, er solle als Nächster aussteigen, doch der blieb sitzen.
    »Nein«, sagte er, »du zuerst.«
    Papa wunderte sich und hielt dagegen, dass Nakire doch selbst ein Fayu sei, ihre Sprache spreche und gleich klarstellen könnte, dass sie in Frieden kämen.
    Doch Nakire rührte sich nicht. Er sagte nur einen Satz: »Ich habe Angst.«
    Zu dieser Zeit wusste Papa noch nicht, dass der Fayu-Stamm aus vier Gruppen bestand, die sich im dauernden Kriegszustand befanden. Und das Kanu war ausgerechnet mitten im Grenzgebiet gelandet, zwischen dem Gebiet der Iyarike, zu denen Nakire gehörte, und dem Stamm der Tigre.
    Papa stieg schließlich aus, ihm folgten der Amerikaner und der andere Dani-Mann. Doch kaum hatten sie das Boot verlassen, hörten sie hinter sich ein Geräusch. Blitzartig drehten sie sich um … und erstarrten: Vor ihnen stand das angsteinflößendste Geschöpf, das Papa je gesehen hatte. Das Gesicht des Mannes strahlte pure Feindseligkeit aus. Er trug Pfeil und Bogen und war mit Tierknochen und Federn geschmückt. Seine ganze Haut war mit etwas Undefinierbarem beschmiert, das so schrecklich roch, dass Papa fast schlecht wurde – ein ihm völlig unbekannter Gestank, den er nicht einordnen konnte.
    Dahinter trat nun noch ein anderer Mann hervor, der einen Menschenpfeil in seinen Bogen

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