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Dschungelkind /

Dschungelkind /

Titel: Dschungelkind / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kuegler
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seltene Orchideen, Farne und Kletterlianen. Jede botanische Expedition führt zur Entdeckung neuer Pflanzenarten: Bisher sind über 12 000 davon bekannt. Traditionelle Nutzpflanzen sind Bananen, Kokospalmen, Ananas, Süßkartoffeln und Kürbis, aus dem auch Essgefäße, Musikinstrumente und der berühmte Penisköcher hergestellt werden.
     
    In den Regenwäldern West-Papuas leben auch heute noch über 250 verschiedene Naturvölker mit fast ebenso vielen Sprachen.
    Der Stamm der Dani ist wohl der bekannteste unter ihnen, des Weiteren die Asmat, die Marind-anim, die Yah’ray, die Mandobo, die Afyat, die Ekri, die Moi, die Amungme und nicht zuletzt die Fayu, die ihre Lebensweise und Traditionen seit der Steinzeit in nahezu unveränderter Weise beibehalten haben. Äußere Einflüsse, die Veränderungen hätten bewirken können, gab es nicht: Die geografische Beschaffenheit des Regenwalds hielt die Stämme über all die Jahre in fast perfekter Isolation und machte selbst den Kontakt mit den unmittelbaren Nachbarn zu einem mit enormen Marschanstrengungen verbundenen Unterfangen. Die Fayu leben größtenteils auch heute noch so, wie sie vor Tausenden von Jahren gelebt haben, kennen weder Eisen noch andere Metalle, gehen auch heute noch mit Pfeil und Bogen zur Jagd und ernähren sich von Schlangen, Vögeln, Krokodilen und Fröschen. Ihr Hauptproteinlieferant sind die Larven des Capricorn-Rüsselkäfers, das Grundnahrungsmittel ist Sago, mittlerweile auch Süßkartoffeln. Schweine dagegen werden fast als Familienmitglieder betrachtet; sie werden nur zu festlichen Anlässen geschlachtet, etwa zu Hochzeiten oder zur ersten Menstruation eines Mädchens.
    Was das Überleben der einzelnen Stämme jedoch viel mehr gefährdet als Ernährungsprobleme, Krankheiten und die Auslese der Natur, sind langjährige Nachbarschaftskriege und Fehden, die die männlichen Stammesangehörigen in einem Kreislauf des Tötens gefangen halten.

Die Entdeckung der Fayu
    O b Zufall oder Vorbestimmung – an genau dem Tag, als wir Deutschland verließen, um nach Indonesien zu fliegen, am 23. April 1978, machte tief im Dschungel von Irian Jaya ein amerikanischer Konstrukteur namens John eine unglaubliche Entdeckung.
    John hatte den Auftrag, eine Landebahn für Flugzeuge im Gebiet des Dou-Stammes zu bauen. Er war mehrmals vorher da gewesen, um die Bodenbeschaffenheit zu prüfen, da die Gegend von Sümpfen geprägt war. Schließlich entschied er sich für das abgelegene Dorf Kordesi und machte sich daran, Markierungen für die Landebahn zu setzen.
    Plötzlich traten aus dem dichten Urwald vier Männer, die so wild aussahen, wie er es noch niemals gesehen hatte. Sie waren nackt, hatten sich Knochen durch die Nase gezogen und an der Stirn befestigt. Auf dem Kopf trugen sie schwarze Federn, in der Hand Pfeil und Bogen; Köpfe toter Tiere baumelten an ihrem Körper, und undefinierbare Knochen dienten als Dekoration. Sie sahen Furcht erregend aus, ihre Augen waren starr – und sie zitterten am ganzen Körper vor Angst, denn sie hatten noch nie einen weißen Mann gesehen.
    Die Dou gerieten in helle Aufregung und erklärten John, dass diese Männer von einem Stamm kämen, mit dem sie seit Jahren einen grausamen Krieg führten. Nachdem sich die Wogen ein wenig geglättet hatten, gelang es dem Amerikaner immerhin, ein paar Wörter von den Fremden zu erlauschen und sie in phonetischer Schrift aufzuschreiben. Kurz darauf übergab er seine Notizen einem Sprachwissenschaftler in Jayapura, der Vergleiche mit allen bisher dokumentierten Sprachen der Insel anstellte. Es stellte sich heraus, dass die fremden Männer wissen wollten, was sich jenseits ihres Gebiets befand; sie waren auf Expeditionsreise geschickt worden. Und außerdem stellte sich heraus, dass soeben eine neue Sprache und ein bisher unbekannter Stamm entdeckt worden waren – der Stamm, der heute als die Fayu bekannt ist!
    Bis heute erscheint es mir wie eine Fügung, dass die Krieger ausgerechnet an dem Tag aufgetaucht sind, an dem der Amerikaner John einen seiner seltenen Besuche im Urwald machte.
     
    Ein paar Monate später, Ende 1978, wurde mein Vater zu einer Besprechung eingeladen. Dort war von jenem unbekannten Stamm die Rede, und man fragte ihn, ob er nicht Interesse hätte, eine Expedition zu leiten, die den Stamm mitten im unwegsamen Dschungel auffinden sollte. Papa erkundigte sich nach dem bisherigen Stand der Informationen, und er bekam das Papier des Sprachwissenschaftlers ausgehändigt,

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