Dschungelkind /
entscheiden würde – und ließ sie gewähren.
Am dritten Tag schließlich, nachdem die Durchsuchung abgeschlossen war, versammelte Papa seine Übersetzer und bat Teau zu sich. Er fragte den Mann, wonach er suchte.
Da erzählte man ihm, dass zwei Wochen zuvor zwei indonesische Krokodiljäger im Gebiet der Iyarike aufgetaucht seien. Sie hatten drei Krieger mit dem Gewehr getötet, und jetzt befand sich der Iyarike-Stamm auf einem Rachefeldzug. Als Papas Expedition ebenfalls in einem Boot mit Außenborder anrückte, dachten sie, dass auch er ein Krokodiljäger sei, und wollten ihn töten. Doch nun hatten die Krieger weder Gewehre noch Krokodilhäute im Expeditionsgepäck gefunden. Beim kleinsten Hinweis darauf wären Papa und sein ganzes Team auf der Stelle umgebracht worden.
Schließlich fragte Teau: »Was willst du hier, weißer Mann, warum bist du hergekommen?«
»Ich bin hier, weil ich überlege, ob ich mit meiner Familie hierher ziehen soll«, erwiderte Papa. »Ich möchte mit euch leben, eure Sprache lernen, denn ich habe eine wichtige Botschaft für euch: eine Botschaft von Liebe und Frieden.«
Darauf wurde Teau einen Moment ganz still, dann schaute er Papa an und sagte: »Weißer Mann, seit du hier bist, ist Hoffnung in meinem Herzen. Ich möchte nicht mehr Krieg führen und Menschen umbringen. Bitte komm wieder.«
Papa war den Tränen nahe, als er diese bewegenden Worte hörte. Er fragte Teau, wann er wiederkommen dürfe.
Die Antwort war, er solle in drei Monden – drei Monaten – zur selben Lichtung zurückkehren. »Inzwischen werde ich meinen Leuten erzählen, dass du in Frieden kommst und dass sie dir nichts antun dürfen.«
Damit verabschiedete sich der Krieger und verschwand mit seinen Männern zurück in den Urwald. Voller Freude kehrte Papa nach Danau Bira zurück, und nun warteten wir gespannt diese drei Monate ab.
Im Urwald ereignete sich jedoch mittlerweile etwas, wovon wir erst viel später erfuhren. Teau mochte sich entschieden haben, während der nächsten drei Monate keinen Krieg zu führen – aber die Mehrheit der Iyarike war dagegen.
Es hatten sich zwei Gruppen gebildet. Die kleinere, zu der Nakire und Teau zählten, glaubte daran, dass dieser weiße Mann zurückkehren würde. Die andere Gruppe misstraute dem, nahm an, dass der weiße Mann gelogen habe mit seiner Botschaft von Liebe und Frieden. Schließlich hatte sich noch nie jemand für die Fayu interessiert – warum sollte das jetzt auf einmal anders sein?
Papa mit Teau (links) und einem der Dani-Männer (ganz links), die ihn auf den Expeditionen begleiteten
»Nein«, sagten sie, »lasst uns weiter Krieg führen und so leben, wie wir immer gelebt haben. Haben wir nicht immer geglaubt, dass es niemand außer uns gäbe? Jetzt erfahren wir plötzlich, dass eine Welt außerhalb unseres Gebietes existiert, in der andere Menschen leben. Niemals zuvor ist einer von ihnen zu uns gekommen. Lasst uns diesen weißen Mann vergessen – wir brauchen ihn nicht.«
So sprach die »gegnerische« Partei. Aber Nakire und Teau überzeugten die anderen zumindest so weit, die drei Monate abzuwarten, um zu sehen, ob der weiße Mann Wort halten würde.
Auf den Tag genau drei Monate nach dem Ereignis versammelten sich die Fayu auf der Lichtung Foida und warteten. Ihre Geduld wurde nicht lange strapaziert. Plötzlich hörten sie ein Geräusch, zunächst sehr schwach, dann immer stärker, und als sie voller Spannung zum Flussufer eilten, kam schon das Kanu um die Kurve: hinten der Außenbordmotor und davor der weiße Mann.
Nakire erzählte Papa später, dass er vor Freude geweint habe, als er ihn erblickte. Der weiße Mann hatte sein Versprechen gehalten!
Als Papa ausstieg, begegneten ihm neugierige und freundliche Blicke wie auch ungläubiges Erstaunen. Aus den verschiedensten Gebieten waren Fayu-Männer herbeigekommen, um das, was wie eine Sagengestalt auf sie wirken musste, mit eigenen Augen zu sehen.
Dass sehr wohl schon einmal weiße Menschen den Weg der Fayu gekreuzt hatten, wusste keiner der Stammesangehörigen mehr. Auch mein Vater erfuhr es erst vor wenigen Jahren durch den Anruf eines Journalisten: Er hatte den Bericht einer holländischen Expedition in Irian Jaya gelesen, die in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts auf den Fayu-Stamm gestoßen war. Diese Begegnung war dem Gedächtnis der Fayu verloren gegangen – ein alarmierender Vorgang, der typisch ist für eine aussterbende Kultur.
Nicht lange nach seiner Ankunft
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