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Dschungelkind /

Dschungelkind /

Titel: Dschungelkind / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kuegler
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Behälter zu holen, und sammelte das Tier ein. Die einzige Art, die ich niemals lebendig fangen konnte, waren Schlangen.
    Eines Tages kamen die Fayu mit einer großen toten Schlange an. Sie hatten sie zwischen dem Dorf und unserem Haus entdeckt und getötet, da sie einen ihrer Dingos angegriffen hatte. Inzwischen kannten die Fayu meine Vorliebe für Tiere schon und nutzten dies für ihre Zwecke: Mit meiner Hilfe kam garantiert ein gutes Geschäft zustande, weil ich Papa so lange anbettelte, bis er schließlich nachgab und das Tier gegen etwas eintauschte, was für die Fayu nützlich war.
    Die Schlange hatte eine wunderschöne rotbraune Farbe, ihre Haut glänzte im Sonnenlicht und fühlte sich an wie pure Seide. Ich hielt sie in der Hand und war traurig darüber, dass sie nicht mehr lebte. Christian stand neben mir, und wir studierten jeden Quadratzentimeter des Tieres. Als ich wieder aufschaute, sah ich Judith, die gerade aus dem Haus kam. Sofort kam ich auf den Gedanken, dass wir wieder mal ein wenig Spaß mit ihr haben könnten. Sie stand ein paar Meter weiter mit dem Rücken zu mir und hatte die Schlange in unseren Händen noch nicht bemerkt.
    Christian grinste schon, als er meinen Gesichtsausdruck sah; er kannte ihn zur Genüge. Ich packte die Schlange am Schwanz schwang sie wie ein Lasso im Kreis über meinem Kopf, und als sie genau in Judiths Richtung zeigte, ließ ich los. Überrascht stellte ich fest, dass ich besser zielen konnte, als ich jemals erwartet hatte: Die Schlange flog in gerader Linie auf Judith zu und wickelte sich um ihren Hals. Dass meine Schwester keinen Herzinfarkt bekam, ist wirklich ein großes Wunder. Und dass sie heute noch mit mir spricht, ist ein noch viel größeres!
     
    Gleich nach den Schlangen standen Spinnen sehr hoch in meiner Gunst. Ich konnte stundenlang mit wachsender Begeisterung beobachten, wie sie kunstvoll an einem Baum oder Strauch ihre Netze webten oder ein kleines Insekt, das sich verfangen hatte, mit Genuss aussaugten.
    Als ich eines Tages ins Dorf der Fayu gehen wollte, sah ich im Augenwinkel ein helles Schimmern. Unwiderstehlich angezogen, näherte ich mich dem Rand des Urwalds und entdeckte an einem Gebüsch das größte Spinnennetz, das ich jemals zu Gesicht bekommen hatte. Das Gewebe hatte den gesamten Busch umschlossen. Mein Herz schlug schneller, ich vergaß alles um mich herum und fragte mich, welche Art von Spinne wohl so ein unglaubliches Kunstwerk herstellen konnte. Ich brauchte nicht lang zu suchen: Mitten im Netz saß das riesige Tier – größer noch als die Spinne, die wir am ersten Tag nach unserer Ankunft im Haus gefunden hatten.
    Es war eine wunderschöne Spinne! Sie hatte nicht die typische ovale oder runde Form, sondern war schmal und rechteckig und schillerte in den buntesten Farben. Sie glänzte wie eine Schlange, in brillantem Schwarz, Blau und Rot. Still hockte sie in der Mitte ihres Spinngewebes, als ob sie auf etwas lauerte. Ich näherte mich ganz langsam mit dem Plan, einen der weißen Fäden anzufassen und ihn vom Gebüsch abzuziehen. Der Faden war aber so stark, dass es mir nicht gelang, ihn mit den Händen durchzureißen. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Aufgeregt rannte ich nach Hause, um das größte Glas, das ich finden konnte, zu holen und die Spinne zu fangen.
    Doch auch das größte Glas war noch viel zu klein. Außerdem begannen in meinem Kopf die Alarmglocken zu schrillen, denn im Urwald bedeuten kräftige, glänzende Farben an Pflanzen und Tieren sehr oft: Achtung, Gift! So begnügte ich mich damit, die Spinne noch eine ganze Weile zu beobachten, dann setzte ich meinen Weg ins Dorf fort.
    Das Unglaublichste aber sollte ich erst am nächsten Tag erleben. Sobald ich meine Schulaufgaben beendet hatte, rannte ich wieder zu dem Gebüsch, um die Spinne zu besuchen. Sie war nicht zu übersehen. Als ich mich näherte, entdeckte ich zu meinem Erstaunen einen kleinen Vogel, der sich im Spinnennetz verfangen hatte. Er flatterte wie wild, konnte sich aber nicht befreien. Mir tat der Vogel schrecklich Leid, und ich wollte ihn schon retten, hätte ich nicht im gleichen Augenblick die Spinne bemerkt. Sie saß hinter ein paar Blättern und betrachtete uns. Angst stieg in mir auf. Würde sie mich angreifen, wenn ich ihr oder dem Vogel zu nahe kam?
    Ich hielt lieber respektvolle Distanz. Als das Zappeln des Vogels immer schwächer wurde, sprang die Spinne ohne jede Vorwarnung mit einer blitzartigen Bewegung auf ihn zu. Ein paar Sekunden

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