Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dschungelkind /

Dschungelkind /

Titel: Dschungelkind / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kuegler
Vom Netzwerk:
hatten sie noch nie gesehen. Kurz darauf kamen einige von ihnen traurig zu uns und bekannten: »Unsere Dingos können nicht, was Timmy kann. Sie landen immer auf dem Rücken und jaulen …«
    Kurz nachdem Timmy zu uns gekommen war, versuchte ein Jagddingo ihm einmal das Futter zu klauen. Die Dingos hatten natürlich auch noch nie eine Katze gesehen. Timmy ging mit Gefauche auf den Dingo los und versetzte ihm eine solche Ohrfeige, dass dieser mit schauerlichem Geheul im Urwald verschwand. Von diesem Tag an war mein Timmy der »König des Urwalds«. Die Hunde machten einen weiten Bogen um ihn und zeigten enormen Respekt vor dieser neuen Spezies.
    Timmy seinerseits verwandelte sich mit der Zeit in eine Wildkatze. Jeden Abend pünktlich um sechs Uhr verschwand er zum Jagen im Dschungel, um dann um Punkt vier Uhr morgens miauend vor unserer Tür zu stehen, bis Papa oder Mama sich erbarmten. Ihn draußen zu lassen nützte nichts, er schrie dann so, dass wirklich alle wach wurden. Papa sagte später immer: »Ich brauche keine Uhr mehr; seit Timmy bei uns ist, habe ich eine, die präziser funktioniert als alle mechanischen.«
    Dann sprang Timmy zu mir ins Bett und schmiegte sich an meinen Hals. Diesen Platz liebte er seit seiner frühesten Kindheit: Als ich Timmy bekam, hatte ich Gelbsucht und hohes Fieber gehabt, und das Katzenbaby fühlte sich dort warm und geborgen, besonders wenn es draußen stürmisch war.
    Einmal hatte ich großzügig erlaubt, dass Timmy bei Judith schlief. Er liebte Judiths lange Haare. Aber am Morgen gab es großes Gejammer: Timmy hatte während der Nacht ein großes Büschel von Judiths Haaren abgebissen, ausgerechnet ganz oben auf dem Kopf! Der Rest stand aufrecht wie eine Bürste. Ich konnte mich nicht mehr halten vor Lachen und wurde fast hysterisch.
    Mama packte mich am Kragen und schleppte mich aus dem Haus. »So«, sagte sie, »du kommst erst wieder herein, wenn du dich beruhigt hast. Wir lachen nämlich nicht über den Schmerz anderer Menschen, und wenn es noch so lustig aussieht.«
    So musste ich draußen bleiben. Nach einer Weile fiel mir ein, dass ich noch nicht gefrühstückt hatte, ich legte meine Hand auf den Mund und ging wieder ins Haus. Mama sah mich warnend an. Sie hatte Judith einen Sonnenhut aufgesetzt. Als ich diesen Sonnenhut sah, fing ich wieder an zu lachen. Ich rannte nach draußen, um mich zu beruhigen. Beim nächsten vorsichtigen Versuch, mich an den Tisch zu setzen, schaute ich dummerweise zu Papa, der seinen Kopf gesenkt hielt und dessen Schultern bebten. Mein Lachkrampf packte mich zum dritten Mal mit voller Wucht, und ich wurde von Mama samt meinem Frühstück rausgeschmissen.
    Eine Fayu-Frau stillt ein Baby und einen Dingo
    Abends hatte sich Judith beruhigt und konnte ebenfalls darüber lachen. Aber ihr Bett war von da an tabu für Timmy.
     
    Die Jagddingos der Fayu haben vom ersten Tag an meine besondere Aufmerksamkeit erregt. Ich fragte mich, warum sie nie bellten, sondern nur heulten. Später fand ich dann heraus, dass es gar keine Hunde sind, obwohl sie so aussehen, sondern asiatische Wölfe. Die Fayu behandelten die kleinen Dingos wie ihre Kinder. Sie widmeten ihnen viel Aufmerksamkeit, denn das Ziel war, sie zu Jagdtieren zu erziehen. Wer einen gut trainierten Dingo hatte, hatte auch Fleisch, denn der Dingo war es, der die Tiere im Urwald aufspürte.
    Kurz nach unserer Ankunft sah Papa, wie eine Fayu-Frau einen kleinen Dingo an ihrer Brust nährte. Papa traute seinen Augen nicht! Im Lauf der Zeit aber gewöhnten wir uns daran und empfanden es sogar als normal, wenn eine Frau an einer Brust ein Kind stillte und an der anderen einen Dingo oder ein kleines Wildschwein. Ich versicherte Mama, dass ich, wenn ich einmal ein Baby bekäme, bestimmt so viel Milch hätte, dass auch ich ein Hundebaby mit ernähren könnte.
    »Na, Bienchen, dann kommst du wenigstens in die Bildzeitung«, sagte Mama. »Aber werd erst mal groß.«
    Ich habe als Kind mehrfach versucht, einen Dingo zu zähmen, es ist mir aber niemals gelungen. Sie waren einfach zu wild.
     
    Für mich war der Dschungel wie ein Zoo, nur dass die Tiere frei herumliefen. Im Urwald von Irian Jaya gibt es zwar keine Tiger oder Affen; die größten Tiere, die wir sahen, waren Straußenvögel, Wildschweine und Krokodile. Doch das kleinere Getier hatte natürlich einen ganz besonderen Reiz für mich, da ich damit umgehen durfte. Wenn ich eine neue Spezies entdeckte, rannte ich ins Haus, um ein Glas oder einen anderen

Weitere Kostenlose Bücher