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Dschungelkind /

Dschungelkind /

Titel: Dschungelkind / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kuegler
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Kunstwerke, die wir als Kinder bestaunt haben. Doch so schön sie auch aussahen, sie haben viel Leid angerichtet. Ich habe mehrmals miterlebt, wie sogar Kinder mit Pfeil und Bogen auf ihre Eltern losgingen, weil sie wütend waren und nicht bekamen, was sie wollten.
    Bagai (links), Zehai (Mitte) und Fai (rechts)
    Auch Papa wurde ein paar Mal angegriffen. Ein junger Mann wurde einmal wütend auf ihn, nahm kurzerhand seinen Bogen, spannte einen Pfeil und zielte. Da tat Papa etwas Unerwartetes. Er ging einfach direkt auf den Fayu zu und umarmte ihn. So etwas hatte man noch nie gesehen! Die Geste des weißen Mannes war so unerhört, so unpassend im besten Sinne, dass der Fayu nicht wusste, wie er reagieren sollte. Und Papa wurde damals und auch später nie verletzt.
    Doch Vorsicht war immer am Platz. Papa durfte nichts Falsches tun oder Wut gegenüber einem Fayu zeigen – wir konnten nie ganz sicher sein, ob sich nicht doch wieder einmal ein Menschenpfeil gegen den weißen Mann richten würde.

Die Jahreszeiten des Dschungels
    E ines Tages lief ich vom Spielen nach Hause, weil ich furchtbaren Durst hatte. Wir hatten den ganzen Tag herumgetollt. Ich nahm einen Becher, füllte ihn mit Wasser und begann gierig zu trinken. Doch schon beim ersten Schluck breitete sich ein eigenartiger Geschmack in meinem Mund aus. Ich setzte den Becher sofort ab und sah, dass das Wasser eine bräunliche Färbung hatte; ansonsten schien es in Ordnung zu sein. Ich trank weiter, aber bald konnte ich es nicht mehr ertragen. Mein Bruder, den ich bat, das Wasser zu probieren, setzte das Glas an und spuckte gleich wieder aus. Meinem Vater ging es ebenso. Ein grauenvoller Geschmack!
    Papa meinte, dass etwas mit den Regentonnen nicht in Ordnung sein müsse. Wir gingen gemeinsam zu der Plattform, wo sie aufgestellt waren, und kletterten hinauf. Plötzlich verzog Christian das Gesicht, als er in eine der Tonnen schaute. Ich stieg schnell zu ihm hinüber, um zu sehen, was er für ein Problem hatte … und entdeckte endlich den Grund: Dort unten auf dem Wasser schwamm ein dicker, halb verfaulter Frosch. Seine Gedärme waren zu sehen, und fleißige kleine Würmer hatten sich schon an die Arbeit gemacht.
    Schleunigst leerten wir die Behälter, machten sie sauber, stellten sie wieder auf. Und nun blieb uns nur zu hoffen, dass bald Regen fallen würde, um unseren Wasservorrat zu sichern!
     
    Es gab für uns nur zwei Arten von Wetter: Regenzeit und Trockenperiode, die Jahreszeiten des Dschungels.
    In der Trockenzeit war es so heiß, dass wir an manchen Tagen sogar im Haus bleiben mussten, weil die Sonne zu stark brannte. Schon früh am Morgen spürte man die Hitze, die erbarmungslos auf Mensch und Tier herabprallte. Wenn es längere Zeit nicht regnete, sank der Wasserspiegel drastisch, die Tiere verkrochen sich in ihren Nestern und Höhlen und im kühlen Unterholz des Urwalds. Der Vorteil wiederum bestand darin, dass wir kaum Ungeziefer im Haus hatten.
    Ich verbrachte diese Zeit meist im Wasser, um mich wenigstens ein bisschen abzukühlen. Wir spielten mit Begeisterung auf der Sandbank, die sich in der Trockenzeit manchmal so weit ausdehnte, dass sie den Fluss fast verdrängte. Das verbleibende schmale Wasserband war dann aber tief und die Strömung rasend schnell. Wir durften uns nicht mehr sehr weit in den Fluss hineinwagen.
    Oft vergaßen wir unsere Flipflops mitzunehmen und konnten nicht mehr zurück zum Ufer. Die Sandbank wurde nämlich so heiß, das wir uns Verbrennungen an den Fußsohlen holten, sobald wir versuchten, über den heißen Sand zu laufen. So standen wir oft kläglich im Wasser und riefen unsere Mutter. Sie schickte dann als Retter meistens Minius, der unsere Sandalen brachte oder uns über die Sandbank zum Ufer trug.
    Das Schlimmste während der Trockenzeit waren für mich die Nächte, die sich kaum abkühlten und in denen ich die Hitze besonders extrem spürte. Kam dann noch Vollmond hinzu, lag ich oft ruhelos im Bett und konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Der Mond war so stark, dass es nie richtig dunkel wurde. Ich hatte jedoch irgendwann ein System erfunden, um es mir ein wenig erträglicher zu machen: Ich legte mich auf den Rücken, ganz nah an die Bettkante, und nach einigen Minuten, wenn es zu heiß wurde, drehte ich mich auf den Bauch, dann wieder auf den Rücken, bis ich schließlich an der anderen Bettkante angekommen war. Und so ging es hin und her, immer auf der Suche nach einem Fleckchen kühlen Lakens, bis ich endlich

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