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DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

Titel: DSR Bd 4 - Das Schattenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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schlimmer noch, wie die sengenden Strahlen der weiß glühenden Sonne sein Haar entzündeten und seinen Kopf in Brand setzten. Wenn ich in einen Hochofen hineinspaziert wäre, hätte es sich nicht heißer anfühlen können , befand er. Machte er eine Pause, dann nur lange genug, um Atem zu holen und seine Umgebung zu prüfen: Er klopfte sich den knochenweißen Staub von seiner Kleidung ab und schaute sich um. Unter dem von der Sonne gebleichten, leeren Himmel tanzten in flirrenden Wellen die entfernt liegenden Hügel, die sich aus dem Wüstenboden erhoben. Aber das war meilenweit in jeder Richtung die einzige Bewegung. Vor Charles erstreckten sich die widderköpfigen Sphinxen. Sie säumten die lange Allee, die zu der Tempelruine führte: Diese blieb wie immer unbewegt und unberührt von der brütend heißen Atmosphäre.
    Als er sah, dass er vollständig allein und unbeobachtet war, gestattete es sich Charles, ein wenig zu entspannen. Er zog ein Stück Leinentuch aus der Ledertasche an seiner Seite und wickelte es sich wie einen Turban um den Kopf. Das Reisegepäck war dasselbe, das von seinem Vater bei dessen letztem Besuch in Ägypten benutzt worden war. Es enthielt all die Dinge, von denen Charles sich vorstellte, dass er sie auf dieser Reise – seiner bislang abenteuerlichsten – brauchen würde. Die Tatsache, dass er Lord Burleigh für seine neu entdeckte Begeisterung am Ley-Reisen zu danken hatte, war Charles nicht entgangen. Denn wäre da nicht in all jenen zurückliegenden Jahren die beharrliche Einmischung des Earls gewesen, hätte er wahrscheinlich niemals einen weiteren Gedanken an die Karte seines Großvaters verschwendet.
    Er zog kurz an dem langen, geflochtenen Riemen und hängte sich das Bündel über; anschließend machte er sich auf den Weg durch das Land auf die leicht schwebende Hügelkette zu und ließ die Doppelreihe der stummen Statuen hinter sich. Charles, dessen einziger Reiseführer nur die Beschreibung seines Vaters war, wünschte sich bald, Benedict hätte daran gedacht, selbst eine Karte zu erstellen – oder dass er zumindest ein paar Tricks des Familiengeschäfts notiert hätte. Ohne einen solchen Führer hatte es sich als äußerst schwierig erwiesen, das präzise, von Arthur angewandte Verfahren des Ley-Springens zu rekonstruieren. Es hatte Charles mehr als fünf Jahre und etliche Dutzend Versuche gekostet, bis er taumelnd zu einer groben Kalibrierungsmethode gekommen war, die es ihm ermöglichte, diesen Ort zu dieser Zeit zu erreichen – plus/minus einem Jahr oder sogar plus/ minus einer oder zwei Generationen. Durch mehr Arbeit würde sich seine Technik verfeinern, aber dafür bräuchte er die Karte. Und die Karte war der Grund seines Besuches.
    Obwohl er niemals in Ägypten gewesen war, hatte er doch seit der Zeit, als er alt genug war, um auf eigenen Füßen zu gehen, die Familiengeschichten von seinem Vater und von der Großmutter so oft gehört, dass er das Gefühl hatte, als würde er diesen Ort kennen – zumindest gut genug, um sich zurechtzufinden. Er wusste, dass jenseits der Hügel der Nil lag und es in der Nähe ein Bauerndorf oder eine Stadt irgendwo am Flussufer geben würde. Er wusste, dass sich jenseits des Flusses ein Wadi befand, wo er mit Ausdauer und einer wahren Unmenge von Glück das Grabmal von Anen finden würde, der ein Freund seines Großvaters und Hoher Priester in einer Epoche gewesen war, die inzwischen die 18. Dynastie genannt wurde.
    In dem Dorf würde er Männer finden, die er anheuern konnte, um ihm bei seinem Rückgewinnungsprojekt zu helfen. Dies würde, wie er erwartete, ernsthafte Folgen für die zukünftige Archäologie haben: Er sah nicht, wie die Schändung des Grabmals verhindert werden konnte. Denn sobald seine einstigen Helfer entdeckten, was, wie Charles wusste, dort sein sollte, würde die Plünderung beginnen. Offizielle Dokumente aus der Zeit von Pharao Cheops sprachen von »Grabräubern« – eine besondere Geißel der wohlhabenderen Klassen. Infolgedessen neigten Ägyptologen dazu, sie als eine eigenständige kriminelle Klasse zu betrachten. Sie waren es nicht. In Wirklichkeit waren die Diebe, welcher Epoche auch immer sie angehörten, bloß arme Bauern aus der Region, die in ihrer Mühsal und Not sich einfach an allem möglichen Wertvollen bedienten, was sie herumliegen sahen – oftmals aus halb im Sand verborgenen und lange vergessenen Grabkammern. Zweifellos würden die Dorfbewohner im Grabmal des Hohen Priesters Anen eine Menge

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