DSR Bd 4 - Das Schattenlicht
»Ein echter Charaktermensch.«
Sie lachte erneut. »Ich mag dich, Kit.«
»Ich mag dich auch.« Er lächelte, und dann gingen ihm die Worte aus. »Also … ähm … Möchtest du rübergehen zum Kaffeehaus und gucken, was die anderen vorhaben?«
Cass schwang ihre Beine aus dem Bett und stellte anmutig einen bestrumpften Fuß in einen leeren Schuh hinein.
»Es ist wohl am besten, wenn wir das mit uns nehmen«, sagte Kit und bog seinen Arm nach hinten, um von dem Tisch das Glasfläschchen mit den Seltenen Erden an sich zu nehmen. In den Anblick des wohlgeformten Beines einer jungen Dame vertieft, misslang es ihm, mit der Hand den Kontakt zu dem kleinen Glasgefäß herzustellen. Stattdessen stieß er das Messinggehäuse des Schattenlichts um, das die pulverigen Überreste des ausgebrannten Materials enthielt. Schwarzer Staub wurde über das Taschentuch verstreut, das Cass als Arbeitsbereich ausgebreitet hatte.
»Ups! Tut mir leid. Nichts passiert«, sagte er und begann, die körnige Asche wieder in die Halbschale der Lampe zu streichen. Als er so viel von dem Material, wie er konnte, geborgen hatte, schüttelte er die pulverigen Überbleibsel von dem sauberen weißen Viereck aus feingewebtem Tuch.
Es war genau dieser Augenblick, in dem Kit etwas Außergewöhnliches hätte bemerken können. Wäre er nicht abgelenkt gewesen, hätte er gesehen, dass der graue Schmutzfleck, der an dem Taschentuch zurückgeblieben war, sich zu einem höchst charakteristischen Muster geformt hatte: einem Spiralwirbel mit einer unerklärlich geraden Linie, die direkt durch das Zentrum führte, und drei gesonderten Punkten entlang des äußeren Randes.
Das Bild war zwar blass, aber fest umrissen und viel zu präzise, um das Resultat eines bloßen Zufalls zu sein. Doch in dem schwindenden Licht des Nachmittags, das sich durch das einzige Fenster des Zimmers hineinstahl, blieb das einzigartige Muster unbeachtet und unerkannt: eine Form, die vollkommen zu den Symbolen gepasst hätte, die Kit gesehen hatte – gekritzelt auf die Wand einer Steinzeithöhle, sorgfältig wiedergegeben in der inneren Grabkammer der Gruft des Hohen Priesters Anen und, höchst bemerkenswert, tätowiert auf dem halb entblößten Oberkörper von Arthur Flinders-Petrie an der Seelenquelle.
Und so schüttelte Kit das Taschentuch einfach aus und überreichte es Cass, die es unverzüglich in das Bündchen ihrer Bluse steckte, nachdem sie ihre Schuhe fertig angezogen hatte. Anschließend – in erstaunlicher Unkenntnis des Geheimnisses, das sie nun besaßen – steckte sich Kit das zerstörte Schattenlicht und das Fläschchen mit den Seltenen Erden in die Tasche und begleitete Cass aus der Apotheke heraus.
Die zwei begannen, über den Marktplatz zu marschieren, wo sich die Menschenmenge rasch lichtete, während es immer stärker dämmerte und Lichter in den Fenstern zu leuchten begannen. Silberner Rauch zog aus den Kaminen auf, die in großer Zahl ringsum auf den Hausdächern zu sehen waren, und verlieh der Luft eine herbstliche Duftnote. Auf halbem Wege zum Kaffeehaus trafen sie auf Wilhelmina, die aus der anderen Richtung kam.
»Hey, ihr zwei; ich wollte gerade nach euch suchen.«
»Hast du Gianni gesehen?«
»Ja. Er hat mir gesagt, dass über das mysteriöse Pulver das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.«
»Er will die Probe nach Rom zur Überprüfung bringen«, berichtete Kit.
»Genau das habe ich auch gehört. Ich glaube, es ist eine gute Idee.« Während sie sprach, begannen die Kirchenglocken zu läuten. Sie hielt inne, um zu lauschen.
»Welche Kirche ist das?«, fragte Cass und wandte ihre Augen der dunklen Fassade der beeindruckenden gotischen Kirche zu, die dem Platz gegenüberlag.
»Das ist die Teynkirche«, antwortete Mina. »Die Abendmesse beginnt gerade. Eigentlich war ich auf dem Weg zum Gottesdienst. Möchtet ihr mitkommen?«
»Sehr gerne«, sagte Cass.
»Gehen wir doch alle.« Wilhelmina setzte ihren Marsch über den Platz fort; Cass schloss zu ihr auf und schritt dann neben ihr, während Kit ihnen folgte. »Mir gefällt das – ganz besonders, wenn ich einen geschäftigen Tag gehabt habe und ich etwas Frieden brauche. Etzel verpasst fast nie den Gottesdienst. Tatsächlich würde ich nicht überrascht sein, wenn wir ihn heute Abend dort sehen.«
»Wo wir davon sprechen, zufällig auf Etzel zu stoßen – ich habe ihn heute gesehen.« Kit erzählte anschließend, wie er den großen Bäcker mit einer über die Schulter geworfenen Tasche auf
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