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DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

Titel: DSR Bd 4 - Das Schattenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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bei den Schwestern der heiligen Thekla.«
    »Was hast du gesehen?«, fragte Kit. Mina warf ihm einen warnenden Blick zu, und rasch fügte er hinzu: »Das heißt, wenn du es mitteilen willst … oder auch nicht.«
    »Nein, es ist schon in Ordnung. Ich kann es euch erzählen.« Cassandra holte tief Luft und begann: »Ich schätze, man könnte sagen, ich sah die Zerstörung des gesamten Universums. Nur so kann man es bezeichnen.« Sie fuhr fort, mehr Einzelheiten ihrer entsetzlichen Vision wiederzugeben: die unersättliche, alles verschlingende Finsternis, der gewaltige und blindwütige Hass auf Licht und seine vielfältigen Ausdrucksformen, die erbarmungslose Auslöschung aller Geschöpfe, die den Funken des Lebens besaßen, der unerbittliche verwüstende Ansturm auf die Vergessenheit zu – das hatte sie aus dem Schlaf und in die Arme der Zetetischen Gesellschaft getrieben. Sie beendete ihre Erzählung mit den Worten: »Ich saß dort und betete, bis es draußen hell genug war, um zu sehen, und dann rannte ich, so schnell ich konnte, um der Gesellschaft beizutreten.« Sie blickte mit einem traurigen, beinahe reuevollen Lächeln auf. »Ich schätze, ich bin seitdem immer gerannt. Das hier ist das erste Mal, dass ich tatsächlich die Gelegenheit gehabt habe, innezuhalten und über das nachzudenken, was geschehen ist. Der Gottesdienst heute Abend war wunderbar, doch er hat das alles zu mir zurückgebracht.« Sie blickte von einem zum anderen und holte tief und zitternd Atem. »In Wirklichkeit verstehe ich nichts von dem.«
    »Mach dir nichts draus.« Mina drückte ihre Schultern. »Es geht vieles vor sich, das niemand von uns versteht, doch hierin sind wir alle zusammen.«
    »Alle für einen, und einer für alle«, ergänzte Kit. »Und wir haben nicht die Absicht zuzulassen, dass dir irgendetwas passiert.« Es war eine Äußerung, die mutig klang, aber dumm war – ein völlig leeres Versprechen –, und Kit wusste das in dem Augenblick, als die Worte seinen Mund verließen. Cosimo hatte recht: Dieses Ley-Reisen war ein außerordentlich gefahrvolles Unternehmen, dem man sich mit einem großen persönlichen Risiko hingab – und es gab nichts, was er oder irgendein anderer deswegen unternehmen konnte.
    Cass schien das zu verstehen, nahm jedoch seine tröstenden Worte nichtsdestotrotz an. »Danke«, seufzte sie. »Ihr seid beide sehr nett.« Ein kleines, verlegenes Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. »Für gewöhnlich bin ich nicht ein solches Nervenbündel … ehrlich.«
    Sie schlossen sich der Gemeinde an, die aus der Kirche strömte. Nachdem sie die schweren Eichenholztüren passiert hatten, machten sie sich auf den Weg zum Großen Kaiserlichen Kaffeehaus . Mit Ausnahme der fortströmenden Gottesdienstbesucher war der Marktplatz beinahe menschenleer; die letzten Händler des Tages zurrten die Abdeckungen ihrer voll beladenen Fuhrwerke fest. Der große Platz war jetzt in Dunkelheit gehüllt, und an einem klaren Himmel schienen die leuchtenden Nadelspitzen der Sterne.
    »Wie fühlst du dich jetzt?«, fragte Kit.
    »Ein bisschen besser«, antwortete Cass. »Trotzdem …«
    »Das muss eine ziemlich schlimme Vision gewesen sein, dass sie dich in solch einer Weise ängstigt«, merkte Kit an.
    »Es war … grauenvoll.« Cass zitterte bei der Erinnerung, die sogar jetzt noch so stark war, dass ihr Herz von einem kalten Schauer erfasst wurde.
    »Wenn es helfen sollte, darüber zu sprechen, dann würde ich mich freuen, dir zuhören zu dürfen«, bot Wilhelmina an. »Das heißt …« Sie verstummte, als sie bemerkte, dass Kit stehen geblieben war. Beide Frauen blickten sich um und sahen, wie er regungslos dastand, als hätte er an Ort und Stelle Wurzeln geschlagen. Er starrte geradeaus, als ob er gerade in einiger Entfernung ein Gespenst gesehen hätte.
    »Kit?«, keuchte Mina. »Um Himmels willen, was gibt’s?«
    »Burleigh ist zurück«, spie er, seine Stimme war ein leises, kratzendes Flüstern. »Ich habe gerade einen Burley-Mann gesehen.«

FÜNFUNDZWANZIGSTES KAPITEL

    D ie einstmals friedliche Talsenke hatte sich in ein Schlachtfeld verwandelt, als am Himmel die Feuerpfeile kreischten. Jeder von ihnen flitzte zur Erde, um in einem Meer aus Flammen und sengendem Metall zu explodieren und die entsetzten Opfer massenweise niederzumetzeln. Ein verzweifelter Wettlauf wogte um sie herum: Pferde, Vieh, Menschen – sie alle waren blind vor Schrecken und in voller Flucht. Giles umklammerte Havens Hand mit einem starken,

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