DSR Bd 4 - Das Schattenlicht
fortsetzen«, merkte Brendan niedergeschlagen an, »bis etwas diese Ausdehnung unterbricht und sie lahmlegt.«
»Das ist … korrekt«, pflichtete Tony ihm zögerlich bei. Er musterte Brendans gerunzelte Stirn und den mürrischen Gesichtsausdruck. »Aber wenn die JVLA-Daten, die Sie erwähnt haben, bestätigt werden sollten … Nun, das würde sicherlich Sand ins Getriebe streuen.«
Brendans bekümmert dreinblickende Augen richteten sich auf seinen Gefährten. »Verstehen Sie mich nicht falsch«, sagte er. »Ich habe keine eindeutigen Beweise. Für mich ist es mehr eine Art Vorahnung, ein Gefühl von drohender Vernichtung, das ich nicht erklären kann – ich bin mir ziemlich sicher, es leitet sich von der Natur unserer Arbeit bei der Gesellschaft ab. Fast genau seit ihren Anfängen haben sich unsere Mitglieder die Köpfe über eines der frustrierendsten Rätsel des Ley-Reisens zerbrochen.«
»Lediglich eines?«, scherzte Tony, der sich bemühte, die Stimmung aufzuhellen. »Ich ringe immer noch mit Ley-Linien, dem multidimensionalem Raum, der alternativen Zeit – das ganze Zeug mit allem Drum und Dran. Wie lautet Ihr Rätsel?«
»Wie kommt es, dass keiner jemals in die Zukunft reist?«
»Junge, Junge«, seufzte Tony. »Ich vermute, unter ›Zukunft‹ verstehen Sie die absolute Zukunft – und nicht die relative Zukunft. Denn offensichtlich war es für einige Reisende möglich, dass sie sich zu Orten begeben konnten, die mit Blick auf ihre jeweils eigene Zeit in der Zukunft lagen. Das heißt, sie erfuhren eine Zeit, die der eigenen voraus war. Allerdings ist das immer noch ein Stück weit entfernt von der absoluten Zukunft des Kosmos.«
»Ganz richtig«, pflichtete Brendan bei. »Sir Henry Fayth zum Beispiel kam bei vielen Gelegenheiten hierher. Und dies hier war für ihn, der irgendwann in den Zwanzigerjahren des siebzehnten Jahrhunderts geboren worden war, die Zukunft, jedoch nicht für mich. Ich wurde 1958 geboren. Für mich ist wie für Sie dies …« – Brendan machte mit einer Hand eine Geste, die ihre Umgebung umfasste – »… dies ist die Vergangenheit. Aber weshalb bin ich nicht dazu in der Lage, in die Zukunft meiner eigenen Welt zu reisen?«
Tony dachte einen Augenblick darüber nach und bot dann die Erklärung an: »Vermutlich, weil sich die Zukunft noch nicht ereignet hat.«
Brendan legte die Hände aneinander, als würde er ein spitz zulaufendes Dach nachbilden, drückte sie von unten gegen das Kinn und starrte auf die Dunkelheit hinab, die einen Ring um seine Füße formte. »Das – oder irgendeine leicht abgeänderte Variante davon – ist stets unsere offizielle Auslegung gewesen«, sagte er langsam. »Man kann nicht einen Zielort mit dem Zug erreichen, wenn nicht die Schienen gelegt worden sind, auf denen man dorthin gebracht wird – genau das haben wir uns stets gesagt. Diese Darstellung hat uns allerdings nie zufriedengestellt, und viele unserer Mitglieder haben versucht, eine bessere Erklärung zu finden. Keiner hatte dabei jemals Erfolg gehabt.«
»Ihr Mangel an Erfolg, eine bessere Erklärung zu finden, beruht möglicherweise auf einer fehlerhaften Hypothese«, merkte Tony an. »Es ist ein altbekannter Fluch der Wissenschaft.«
»Soll das heißen: Wenn wir unsere Annahmen über die Zukunft korrigieren, passen die Tatsachen möglicherweise besser?«
»Sie sollten nicht nur Ihre Annahmen über die Zukunft korrigieren, sondern über die Zeit an sich. Sie setzen zum Beispiel voraus, dass die Zeit einen Fluss hat, einen kontinuierlichen Verlauf – sie bewegt sich von der Vergangenheit durch die Gegenwart in die Zukunft, was dem entspricht, wie sie in unserer normalen, alltäglichen Erfahrung erscheint und wie sie für uns zu spüren ist. Aber was ist, wenn der Fluss der Zeit sich in Wirklichkeit in die andere Richtung bewegt? Was ist, wenn sie sich von einer sehr dünnflüssigen Zukunft in eine viel weniger formbare Gegenwart bewegt, bevor sie sich zu einer stabil errichteten Vergangenheit versteift?« Er blickte zu seinem Gefährten, um zu sehen, ob er ihm folgen konnte, und sah ein breites Grinsen in Brendans Gesicht. »Was?« Er blieb stehen. »Was habe ich gesagt? Warum lächeln Sie?«
»Ich bin nur glücklich, dass Sie diese alternative Sichtweise selbst vorgeschlagen haben, ohne von mir dazu aufgefordert worden zu sein«, entgegnete Brendan. »Weil es das, was ich sagen muss, um vieles einfacher machen wird.«
»Dann reden Sie weiter. Schießen Sie los – ich bin ein
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