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DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

Titel: DSR Bd 4 - Das Schattenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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Ärmel gezogen wurde. Er schaute nach unten und begegnete einem Paar glänzender brauner Augen, die sich in dem runden, lächelnden Gesicht eines Jungen mit drahtigen, rabenschwarzen Haaren befanden: ein Knabe von vielleicht acht oder neun Jahren, der eine schmutzige cremefarbene Hose, die zu kurz und an den Knien zerfetzt war, und einen zu großen, am Kragen ausgefransten Kittel aus dem gleichen Stoff trug.
    »Hallo, mein Kleiner«, sagte Tony. »Sprichst du Englisch?«
    Der Junge blickte hinter ihn, und Tony sah, dass er von einem jungen Mädchen begleitet wurde, das nicht mehr als ein oder zwei Jahre älter sein konnte. Wie bei ihrem dreckigen Gefährten war ihre einfache Kleidung voller Flecken und ungepflegt, aber ihr Gesicht und ihre Hände waren sauber, und ihr Haar war ordentlich gekämmt und geflochten unter einem hellblauen Tuch. Tony wurde bewusst, dass er gleich von Bettlern behelligt würde, und klopfte auf seine Taschen auf der Suche nach etwas Wechselgeld.
    »Leider habe ich überhaupt kein Geld«, begann er, dann bemerkte er, dass der Bursche ihm ein Stück Papier entgegenhielt. »Oh? Was ist das?«
    Der Junge drängte es ihm auf. Tony nahm den Fetzen, der ein wenig größer als eine Visitenkarte war, drehte ihn um und sah eine in Englisch geschriebene Mitteilung. Sie lautete:
    Fühlen Sie sich verloren? Einsam und verlassen?
Suchen Sie nach etwas, woran Sie glauben können?
Wir können Ihnen helfen
Sie wünschen Informationen? Rufen Sie an unter
Damaskus 88–66–44
Oder kommen Sie persönlich vorbei – zur
22 Hanania Street nr.
Beit Hanania
Die Zetetische Gesellschaft
    Tony las das Papier erneut. Eine Anzeige? Er gab die Mitteilung dem Jungen zurück, der bloß seinen Kopf schüttelte und sie Tony wieder in die Hand drückte. »Nein? Du willst, dass ich sie behalte?«, fragte er. »Was bedeutet das?«
    »Kommen mit uns, Mister«, forderte das Mädchen ihn auf, während sie vortrat.
    »Du sprichst Englisch?«, erwiderte Tony voller Hoffnung. »Ist das der Ort, wo ich bin – Damaskus?«
    »Sie kommen mit uns«, sagte sie und ging los; dann hielt sie inne und gab ihm mit einem Handzeichen zu verstehen, er solle ihr folgen.
    Er war sich bewusst, dass er wahrscheinlich ein Dummkopf war, der auf eine einheimische Form von Betrug hereinfiel, die mit leichtgläubigen Fremden durchgeführt wurde. Gleichwohl war Tony hinreichend fasziniert von der rätselhaften Mitteilung, um Folge zu leisten – zumindest bis er herausfinden würde, was in aller Welt die Kinder verkauften. »In Ordnung, ich werde mit euch kommen«, erklärte er. »Aber macht keine Dummheiten!«
    Der kleine Junge hielt neben ihm Schritt, und das Mädchen führte sie in ein verwirrendes Durcheinander von winzigen Straßen, Pfaden und Seitenwegen hinein, durch Viertel mit Verkaufsständen unter freiem Himmel und kleinen Werkstätten, die wie winzige Fabriken Schalen und Löffel aus Holz produzierten. Hier war ein Töpfer, der Krüge und Tassen formte, dort ein Flechtwerkmacher, der eine Strohmatte wob, und direkt dahinter eine Frau, die spitzenbesetzte Tischtücher und Bettdecken herstellte … und so weiter und so fort. Die Vorbeigehenden schenkten Tony und seiner kleinen Eskorte keinerlei Aufmerksamkeit; er hätte ebenso gut unsichtbar sein können angesichts dieser Beachtung, die er fand. Augenscheinlich waren Fremde hier so häufig anzutreffen, dass sie unterhalb der Aufmerksamkeitsschwelle lagen.
    Eine Straße nach der anderen gingen sie entlang. Bei jeder Wegbiegung fühlte Tony sich noch dümmer als zuvor, dass er zugestimmt hatte, mitzukommen, und war sich noch sicherer, es würde alles schlecht enden. Als sie schließlich in eine ruhige Straße traten, in der sich größere, beeindruckendere Gebäude befanden, denen Eingänge aus schwarz-weißem Mauerwerk vorgesetzt waren, entschied er, dass die sinnlose Unternehmung lange genug gedauert hatte. Er blieb stehen. »Okay«, verkündete er. »Das ist es gewesen. Ich bin fix und fertig.«
    Das Mädchen hielt mitten auf der Straße an und drehte sich herum. »Sie kommen.«
    »Nein.« Tony schüttelte den Kopf. Es war später Nachmittag und heiß; der Himmel hatte die Farbe von ausgewaschenen Jeans; und er war müde und durstig und sehnte sich nach irgendeiner kleinen Bestätigung, dass er nicht von Banditen geschlagen und ausgeraubt würde. »Ich gebe auf. Ich gehe nicht mehr weiter.«
    »Sie kommen«, beharrte das Mädchen. Sie drehte sich um und marschierte zu einem nahe

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