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DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

Titel: DSR Bd 4 - Das Schattenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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keine Ausgabe zu groß, und an nichts wurde gespart. Das Ergebnis war ein Schiff, das sowohl extrem manövrierfähig als auch straff wie ein Trommelfell war. Was ihr an Schnelligkeit fehlen mochte, machte sie durch ihren Komfort mehr als wett, ganz zu schweigen von der riesigen Ladekapazität. Voll beladen, wie sie gerade jetzt war, würde die Percheron in der Lage sein, bis zu sechsunddreißig Monate auf hoher See zu verbringen, was Burleighs Plänen dienlich war.
    Jetzt aber, wo Seine Lordschaft auf dem Deck einherschritt, auf seinem Gesicht und dem Hals die feuchte Nachtluft spürte – mit dem schwachen fauligen Flussgeruch in seinen Nasenöffnungen –, konnte er es nicht erwarten, den Anker zu lichten. Er fuhr mit der Hand über die frisch polierte Reling, drehte sich um und ging zurück zum Steuerhaus, das er beigefügt und ummantelt hatte, um dem Steuermann Schutz zu bieten.
    »Wo sind sie, Mr Farrell? Irgendwelche Anzeichen?« Es war eine überflüssige Frage, doch Burleigh konnte es nicht lassen, sie zu stellen.
    »Grad neun vorbei nach der Glocke im Kirchturm da drüben«, antwortete der Kapitän, der die Worte um die langstielige Pfeife in seinem Mund herum artikulierte. »Fluss führt heut Nacht hohes Wasser. Schätze, se werd’n rechtzeitig kommen. Wir werden’s zur Flut machen, Sir.« Zur Beteuerung nickte er heftig mit dem Kopf. »Keine Angst!«
    »Und die Mannschaft?«
    »Unten in den Quartieren. Aber bereit, sich in die Riemen zu legen, sobald ich läute, dass alle auf ihr’n Stationen sein sollen.« Er hielt inne; immer noch versuchte er abzuschätzen, wie sein neuer Dienstherr die Dinge beurteilte. »Es sind ausgewählte Männer, Mylord. Zwölf von den Besten – wie verlangt. Und Sie hab’n ein echt starkes Schiff – das vielversprechendste, das zu leit’n ich je das Vergnü’n hatte. Wir komm’n rechtzeitig weiter.«
    »Die Männer, die ich heute Nacht übernehme, Kapitän …«, begann Burleigh. »Sie sind im Grunde genommen nicht für die See ausgebildet. Um es unverblümt zu sagen – sie haben überhaupt keine Ausbildung.«
    »Das haben Sie schon gesagt, Sir. Das haben Sie schon gesagt.« Mr. Farrell nahm die Pfeife aus dem Mund und klopfte ihren Kopf gegen das Steuer des Schiffes. »Keine Sorge. Ich hab zuvor schon Welpen entwöhnt. Drei Monate mit mir und meiner Mannschaft und die werden genau wie die richtigen salzleckenden Seebären sein.«
    »Ich zähle auf Sie, Kapitän.«
    »Und das dürfen Sie auch«, bekräftigte Farrell. »Auch wenn se die jämmerlichsten Landratten sind, die je über ein Deck getorkelt sind, werden se nächstes Jahr um diese Zeit fit sein für die Marine Seiner Majestät.« Er klopfte die Pfeife ein weiteres Mal gegen das Steuer und steckte sie sich in den Mund. »Sie können darauf wetten.«
    »Ich werde es Ihnen überlassen, Kapitän.« Burleigh brach auf zum Heck, um dort zu warten.
    »Eine kleine Sache ergibt sich da noch, Eure Lordschaft!«, rief Farrell ihm hinterher. »Würde es Ihnen was ausmachen, mir zu sagen, wohin wir steuern sollen?«
    »Sobald alle Mann an Bord und wir unter Segel sind – dann werde ich es Ihnen sagen.«
    »Ich erwähne es nur, weil es hilfreich sein könnte, einen Kurs im Sinn zu haben, bevor wir Greenwich machen.«
    »Es wird vor Greenwich sein«, erklärte Burleigh und setzte seinen Weg fort.
    Das erhöhte Achterdeck des Hecks war mit neuen Planken belegt worden und roch immer noch nach Hobelspänen und Werg. Burleigh ließ sich auf einer der Balustradenbänke nieder, die er montiert hatte – ein weiteres seiner eigenen Gestaltungselemente –, zog seinen Mantel um sich herum, streckte seine langen Beine vor sich aus und lehnte sich zurück, um zu warten. Bald schon dachte er darüber nach, wie gut Geräusche über Wasser befördert wurden, speziell in der Nacht, wie es schien. Er konnte Gespräche zwischen Besatzungsmitgliedern anderer Boote hören, während sie vorbeifuhren, das Eintauchen und Platschen von Rudern sowie die sonderbaren Töne vom Ufer her – ein Ruf, das Zuknallen einer Tür, das Bellen von Hunden, das heisere Singen aus einer am Kai gelegenen Kneipe, ein Kampf zwischen Katzen, eine zerbrechende Flasche, das Weinen eines Säuglings, ein plötzlicher Ausbruch von Gelächter, das endlose Schlagen und Plätschern der Flusswellen gegen das schlammig-glitschige Ufer: ein verschiedenartiges Tableau von Geräuschen, eine akustische Erinnerung an all das, was das Leben in den Hafenvierteln so mannigfaltig

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