DSR Bd 4 - Das Schattenlicht
und blieben auf ihren Reittieren sitzen; mit einer Art misstrauischer Verwunderung starrten sie auf die Fremden. Die einzigen Geräusche waren die des Windes und der schweren Atemzüge der Pferde.
Dieses angespannte Schweigen dauerte an, bis Giles eine leere Hand zu einem schlichten Gruß hob. »Wir sind Reisende«, verkündete er mit lauter und deutlicher Stimme. »Wir führen nichts Böses im Schilde. Lasst uns in Frieden passieren.«
Die Reiter tauschten Blicke aus, und einer von ihnen – ein dunkelhäutiger Bursche mit einem runden, fellbedeckten Schild, den er sich über die Schulter geworfen hatte – äußerte in einer derb klingenden Sprache den anderen gegenüber einen Befehl, woraufhin einer aus der Gruppe sein Reittier antrieb und das Tal hinunter zurückgaloppierte. Der schildtragende Anführer senkte seinen Spieß und stieß ihn gegen Giles’ Brust. Er bellte einen Befehl – Laute zwischen einem Knurren und Gekläff –, wobei er die fein geschliffene Klinge seines Spießes in Richtung der ansteigenden Flanke des Hügels bewegte. Als sich die zwei Gefangenen nicht rührten, gestikulierte der Krieger erneut mit dem Spieß und bellte seinen Befehl mit größerem Nachdruck. Damit seine Gefangenen es nicht missverstanden, nahmen zwei seiner Reiter zu ihren beiden Seiten Aufstellung. Der Anführer der Krieger drehte sein Pferd um und begann, den Hügel hinaufzureiten; die flankierenden Reiter riefen und wiesen nach oben, um Giles und Haven anzuzeigen, dass sie ihm folgen sollten.
»Ich werde nirgendwo mit ihnen hingehen«, verkündete Haven, deren trotzige Entgegnung jedoch dünn und unsicher klang.
Giles wich nicht von der Stelle und ergriff das Wort, indem er sagte: »Wir brauchen Wasser.« Er wusste, dass die Krieger ihn nicht verstehen würden, doch er wiederholte seine Forderung nichtsdestotrotz. Der Reiter, der ihm am nächsten war, stupste ihn mit dem Griff seines Spießes an und drängte die Gefangenen mit einem grunzend formulierten Befehl, sich ihnen anzuschließen. Aber Giles, der sich der Gefahr bewusst war, lehnte es ab, sich in Bewegung zu setzen. Er zeigte auf den flachen Lederbeutel, der am Sattel des Reiters hing, und ahmte stumm die Bewegung des Trinkens nach. »Wasser«, wiederholte er. »Wir sind durstig. Wir müssen trinken.«
Der dunkelhäutige Bursche verstand die Gestik; er öffnete den Trinkschlauch und reichte ihn Giles. »Danke schön«, sagte Giles und schluckte unter den Blicken der Reiter drei große Mundvoll hinunter.
Haven beobachtete ihn mit einem Gesichtsausdruck, der selten für sie war: Respekt. »Entschuldigung, Mylady«, sagte er und reichte ihr den Schlauch. »Ich hielt es für das Beste, als Erster die Flüssigkeit zu probieren. Sie ist warm, aber gut.«
Haven hörte nicht mehr länger zu. Sie raffte den Schlauch an sich und setzte ihre Lippen an die Öffnung aus hohlem Gebein. Sie sog einen großen Mundvoll so rasch in sich hinein, dass es ihr beinahe den Atem nahm. Die nächsten beiden Schlucke nahm sie langsamer und schloss die Erfrischung ab, indem sie sich den Mund mit der Rückseite ihrer Hand abwischte und dann die Nässe auf ihren Wangen verrieb, um ihr Gesicht zu kühlen. »Danke schön«, murmelte sie. Dann trank sie doch noch einmal und verzichtete schließlich widerwillig auf den Schlauch, woraufhin der Krieger sein Reittier antrieb und seinen Befehl wiederholte, sich in Bewegung zu setzen.
»Das war sehr tapfer, Giles«, wisperte Haven, als der Trupp aufbrach. Sie drückte seine Hand. »Ohne deinen Wagemut wäre ich umgekommen.«
»Wenigstens wissen wir, dass sie nicht vorhaben, uns sofort umzubringen«, erwiderte Giles. »Wir werden jetzt, wo wir ein bisschen Wasser zu uns genommen haben, besser vorwärtskommen.« Er betrachtete sie unsicher. »Könnt Ihr gehen?«
»Wenn ich muss«, antwortete Haven.
Ein Hügel führte zum nächsten, und ein weiterer folgte danach. Jeden der abgerundeten Hänge hinabzusteigen war anstrengend genug, doch sie hochzusteigen verbrauchte Havens gesamte, rasch dahinschwindenden Kräfte. Als sie schlussendlich nicht mehr weitergehen konnte, hob einer der Reiter sie hoch und setzte sie hinter sich auf sein Pferd. Die anderen Reiter trabten voraus und ließen zwei von ihnen zurück, um die Gefangenen zu bewachen. Giles stapfte neben seiner Lady in unerbittlicher Entschlossenheit weiter, während der Tag in silbrige Dunstschleier überging, die sich langsam verstärkten, dunkler und mit dem Näherrücken der Dämmerung
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