DSR Bd 4 - Das Schattenlicht
das Gespräch dem Grund ihres Besuches zu, und an dieser Stelle begann seine Mutter, für ihn zu übersetzen. Sie wechselte reibungslos zwischen den Sprachen – so leichthin, dass Benedict sich zu fragen begann, wie viele Jahre seine Eltern in Ägypten verbracht hatten. Wie viele es jedoch auch sein mochten, ihre Beherrschung des Kemet war beeindruckend, und mit ihrer fortlaufenden Kommentierung war er in der Lage, der Unterhaltung zu folgen.
»Arthurs Tod war ein großer Schock für mich«, erzählte sie Anen. »Ich kann immer noch nicht den Verlust voll und ganz begreifen – er wächst und wird immer größer mit jedem Tag, der vergeht. Ich bin in Trauer und lerne, durch mein Leid zu leben. Doch wie du siehst, ist seitdem nur ein Jahr in meiner Welt vergangen.«
Anen nickte betrübt. »Der Tod meines Freundes macht mich ebenfalls traurig, obwohl für mich seitdem mehr als zehn Jahre vergangen sind.«
Sie sprachen über die merkwürdige Anomalie der Zeitabweichung zwischen den Welten, und Anen schien dieses Phänomen zu akzeptieren und zu verstehen. Der Art und Weise nach zu urteilen, wie seine Mutter ihre Unterhaltung wiedergab, fragte sich Benedict, ob der Hohe Priester auch ein Reisender wie sein Vater war.
»Ich muss dir danken für deine Betreuung von Arthur im Anschluss an den Unfall«, sagte Xian-Li. »Ich weiß tief in meinem Herzen, dass niemand hätte mehr tun können.« Sie zeigte ein trauriges Lächeln. »Ich danke dir ebenfalls, dass du dich so gut um Benedict gekümmert hast und ihn zu mir zurückgeschickt hast. Wie gehabt, wir sind dir zu Dank verpflichtet, Anen.«
Der Hohe Priester machte ein unzufriedenes Gesicht. »Verpflichtung – dieses Wort hat keine Bedeutung zwischen Freunden. Hätte ich die Macht von Osiris, würde ich dir deinen Ehemann zurückgeben und Benedicts Vater wieder zum Leben erwecken und meinen Freund von den Fesseln des Todes erlösen.« Er schüttelte seinen Kopf. »Leider verfügt der Hohe Priester nicht über eine solche Macht. Unsere Wiedervereinigung muss bis zum nächsten Leben warten. Dann werden wir alle abermals zusammen sein. In der Zwischenzeit …« – er seufzte – »… müssen wir lernen, durch unser Leid zu leben, wie du gesagt hast.«
Sie tauschten Erinnerungen von vorherigen Besuchen aus – glücklichere Zeiten, derer sie sich beide entsannen –, und schließlich erkundigte sich Anen: »Möchtest du sein Grabmal sehen?«
»Das möchte ich, ja«, antwortete Xian-Li. »Ich würde es sehr gerne sehen. Es ist einer der Gründe, weswegen wir gekommen sind.«
»Dann werde ich es sofort veranlassen.« Er hob sein Kinn und drehte seinen Kopf. Augenblicklich trat ein Diener in Erwartung eines Befehls vor. Die zwei tauschten kurz ein paar Worte aus. Der Diener ging fort, und der Hohe Priester sagte: »Wir können gehen, wann immer ihr es wünscht. Aber da sich die Stadt der Toten in einiger Entfernung von hier befindet und die Hitze des Tages bald auf uns lasten wird, möchte ich Folgendes vorschlagen: Sollen wir uns am Morgen bei Sonnenaufgang einschiffen, sodass wir die Reise genießen können, während die Kühle der Nacht immer noch an den Hügeln haftet?«
Benedict räusperte sich, um anzuzeigen, dass man ihn von dem Gespräch ausgeschlossen hatte.
Xian-Li erklärte ihm: »Er bietet an, uns mitzunehmen, damit wir das Grabmal sehen, wo Arthurs Leichnam zur Ruhe gelegt worden ist. Anen hat ein Boot für uns bestellt. Ich denke, das Grabmal ist auf der anderen Seite des Flusses.«
»Wir werden deinen weisen Rat mit Freuden annehmen«, sagte Xian-Li zu Anen. »Aber du bist der Hohe Priester und musst zeitlich sehr beansprucht sein. Wir erwarten nicht, dass du für uns eine besondere Reise auf dich nimmst.«
»Wie es der Zufall will, befindet sich die abschließende Ausschmückung meines Grabmals kurz vor der Fertigstellung, und ich habe die Absicht gehabt, dorthin zu fahren, um die Arbeit zu kontrollieren. Darüber hinaus würde es ein besonderes Vergnügen sein, euch mein Heim für die Ewigkeit zu zeigen. Ich selbst werde niemals müde, es zu besuchen, denn dort werde ich an die vielen Segnungen erinnert, die ich über die Jahre hinweg empfangen habe.« Er sagte dies mit dem offenkundigen Stolz eines Mannes, der mit seinem Leben und seinen Leistungen zufrieden ist.
»Danke sehr, Anen«, erwiderte Xian-Li. »Wir sind dankbar für deine Freundlichkeit.«
Benedict fügte seinen Dank hinzu, als seine Mutter übersetzt hatte, woraufhin Anen sagte: »Im
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