DSR Bd 4 - Das Schattenlicht
eine bleiche Haut und trug Stiefel, Hosen und sogar eine Jacke – in einer seltsam stilisierten Form wiedergegeben von Künstlern, die niemals eine solche Bekleidung gesehen hatten. Aber auch so wies der hellhäutige Mann mehr als nur eine flüchtige Ähnlichkeit mit seinem Vater auf.
Benedict stupste seine Mutter an und zeigte auf das Bild. Als sie sich umdrehte, fiel sein Blick auf das nächste Wandgemälde in der Reihe, und das Herz schlug ihm bis zum Hals. Es zeigte den Hohen Priester, der in seiner Hand ein unregelmäßiges, länglich geformtes Objekt hielt – etwas wie ein Papyrusblatt oder Schafsfell –, dessen Oberfläche mit den charakteristischen blauen Symbolen bedeckt war, die Arthur selbst entwickelt hatte: den indigofarbenen Tattoos, die er zu Lebzeiten getragen hatte, um sich bei seinen Erkundungen und Reisen von ihnen leiten zu lassen. Auf dem Gemälde hielt Anen das unregelmäßige, länglich geformte Objekt mit einer Hand, und mit der anderen zeigte er auf einen hellen Stern, der sich am östlichen Himmel erhob.
»Das ist die Stelle, wo mein Sarg ruhen wird«, erklärte der Hohe Priester. Er blickte auf seine Gäste und betrachtete ihre beunruhigten Mienen. »Auf diesen Bildern seht ihr die bedeutendsten Geschehnisse meines Lebens – jene besonderen Momente, von denen ich wünsche, dass man sich an sie erinnert. Meinen lieben Freund Arthur kennengelernt zu haben – dies ist ein Augenblick gewesen, der für mich kostbar ist.«
»Und das hier?«, fragte Xian-Li und wies auf das dritte Tafelbild.
»Oh, Schwester«, erwiderte er ehrfürchtig, »dies Bild soll mich an den Weg zur kommenden Welt erinnern – zu der Welt, wie sie einst vor langer Zeit war und wie sie erneut sein wird. Einer Welt, wo alles Böse verbannt ist und es keine Zeit, kein Alter und keine Gebrechen mehr gibt.« Anens Stimme wurde heiser, und seine Augen schimmerten, da sie sich mit Tränen füllten. »Meine Freunde, es wird keine Entbehrungen und keine Krankheiten mehr geben. Der Tod wird uns nicht länger in unseren Träumen heimsuchen und die Glückseligkeit aufzehren, die wir an unseren besten Tagen erfahren. Es wird ein überfließender Reichtum an Gesundheit und Leben und Freude herrschen – vollkommen errichtet … für die Ewigkeit.«
»Der Himmel«, murmelte Xian-Li leise. Dann sagte sie zu Anen: »Das Paradies, das du beschreibst, nennen wir den Himmel.«
Anen dachte darüber nach. »Das ist ein guter Name. Für die Kinder von Isis und Osiris wird es Aaru genannt.« Er seufzte und fuhr fort: »Leider glauben nicht viele mehr an das Paradies. Als Hoher Priester habe ich mein Bestes getan, um es sie zu lehren – um den Leuten das zu erzählen, von dem ich weiß, dass es wahr ist. Woher weiß ich, dass dies wahr ist?« Sein Lächeln wurde breiter. »Ich weiß es, weil ich es gesehen habe. Arthur hat es mir gezeigt.«
Er drehte sich abermals dem Gemälde zu und zeigte auf den Stern, der als eine Scheibe mit Stacheln aus Licht, die von ihm ausstrahlten, dargestellt war. » Aaru ist dort – im Bereich des Hundssterns. Das Paradies, von dem ich gesprochen habe – das ist es, wo ich es gesehen habe. Ich bin dort gewesen – wusstet ihr das? Ich bin dort gewesen und habe es mit meinen eigenen Augen gesehen.« Sein Blick wurde eindringlich. »Meine Schwester, ich glaube, du hast es auch gesehen.«
Xian-Li räumte ein, dass dies der Fall war. »Arthur nannte es den Quell der Seelen«, sagte sie zu Anen.
Benedict, der sich bei diesem Gedankenaustausch außen vor gelassen fühlte, unterbrach das Gespräch, indem er auf den schlichten weißen Sarkophag zeigte und sagte: »Mutter, frag ihn, ob da drin Vaters sterbliche Überreste aufbewahrt werden.«
»Du hast recht«, bestätigte Anen, als ihm die Frage gestellt wurde. »Mir wird die Ehre zuteil, einen Freund zu haben, der neben mir ruht.«
Benedict ging zu dem großen Gebilde, das einer Truhe ähnelte, und wies auf die Oberseite, wo eine Reihe von Hieroglyphen eingemeißelt war. »Was ist das?«, wollte er wissen. »Was bedeuten sie?«
»Das ist Arthurs Grab-Name«, erklärte Anen und sprach dann ein Wort aus, das für Benedict wie Say-Neti-Up-Uatu klang.
»Der Mann, der eine Karte ist« , übersetzte Xian-Li. Sie lächelte traurig. »Arthur hätte das gefallen.« Sie fuhr mit ihren Fingerspitzen über die eingemeißelten Glyphen, anschließend ließ sie ihre Hand auf dem Sarkophag ruhen. Zu Benedict sagte sie: »Es ist an der Zeit, Sohn.«
Er nahm den
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