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DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

Titel: DSR Bd 4 - Das Schattenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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werde ich auftauchen, um meinen Platz in der Gesellschaft der Unsterblichen einzunehmen.«
    Xian-Li übersetzte dies für ihren Sohn, der nickte und anschließend fragte: »Haben wir die Erlaubnis, hineinzugehen?«
    »Dies ist der einzige Zweck unseres Besuchs«, erwiderte Anen mit einem Lachen.
    Er signalisierte einem der Diener, Lampen und Binsenlichter zu bringen, und schickte ihn voraus, um ihnen den Weg zu leuchten. Dann, nachdem er vorsichtig über die erhöhte Schwelle getreten war, geleitete er seine Gäste durch den Eingang und eine steile Treppenflucht hinunter zu einer niedrigeren Ebene. Sie betraten einen kleinen, Wandschrank ähnlichen Vorraum, welcher zu einem Bereich führte, der entweder einen kurzen Tunnel oder eine sehr breite Schwelle darstellte, die sich zu einer großen rechteckigen Kammer mit einer hohen, ebenen Decke hin öffnete. Der gesamte Raum war aus dem weichen Kalkstein herausgearbeitet worden; seine Wände hatte man geglättet und verputzt und dann die harte weiße Oberfläche mit farbenfrohen Szenen vom Leben am Flussufer geschmückt: Knaben angelten, ein Mann wusch einen Büffel mit großen Hörnern, Mädchen hüteten Gänse, Frauen buken Brot und brauten Bier, Sklaven ernteten und droschen Getreide, und vieles mehr. Wohin sie auch blickten, überall waren Bilder. Jedes Stück Oberfläche, das nicht mit Abbildungen bedeckt war, hatte man mit Hieroglyphen oder Wörtern bemalt.
    »Es ist wunderbar!«, keuchte Xian-Li, dann sagte sie, Anen zu Gefallen, das Gleiche in Kemet.
    »Es hat sehr lange Zeit gedauert«, berichtete der Priester. »Und die Kosten sind hoch gewesen. Doch ich fühle mich sehr glücklich, wenn ich daran denke, dass mein Ka zwischen solch freundlichen und arbeitsamen Leuten seine Tage verbringen wird.«
    Ein zweiter Eingang öffnete diesen Raum zu einem anderen hin. Benedict zeigte darauf. »Was ist da drin?«, wollte er wissen.
    Xian-Li übersetzte die Frage, und Anen antwortete: »Ah! Das ist mein besonderer Ort. Kommt, ich werde ihn euch zeigen.«
    Sie schritten aus der Hauptkammer in eine viel kleinere, die ebenfalls voller Bilder war. Im Unterschied zu den anderen jedoch waren diese in Wandgemälden von der Größe eines Raumes enthalten. Von ihnen waren einige bereits beendet, andere aber immer noch im Entstehen: Vier Maler waren unter Aufsicht eines Meisterkünstlers bei der Arbeit, der von einem zum anderen ging und merkwürdig missratene Striche korrigierte – hier die Form einer Wade, dort den Bogen eines Pferdehalses. In der einen Hand hielt der Mann einen Kohlestift, den er für die Korrekturen benutzte, und in der anderen eine Lampe. Die Künstler arbeiteten im Schein kleiner Öllampen und größerer Binsenlichter. Andere Arbeiter glätteten den Putz an den Wänden, mischten Farben oder bereiteten die Pinsel vor. Die stickige, regungslose Luft in der Kammer stank nach Palmöl und dem strengen, metallischen Geruch von Kalkputz und behauenem Stein.
    Ein einfacher steinerner Sarkophag stand etwas abseits an einer Seite. Aufgrund seines schmucklosen Aussehens – und weil er nicht aus Granit gehauen war, sondern aus weißem Kalkstein – wirkte er beinahe unscheinbar zwischen der Geschäftigkeit der Maler und ihren Schöpfungen.
    Als der Hohe Priester plötzlich auftauchte, bellte der Meisterkünstler einen Befehl, und alle Handwerker legten ihre Werkzeuge nieder, wandten sich bis zum letzten Mann um und knieten vor ihrem hochrangigen Schirmherrn nieder. Anen hob beide Handflächen bis auf Höhe der Schulter und sprach ein paar Worte; die Künstler und ihr Meister standen auf, verbeugten sich und setzten ihre Arbeit fort. Und was für eine Arbeit das war!
    Die Decke des Zimmers war in einem tiefen Blau eingefärbt und mit sechszackigen Sternen übersät. Die Wände hatte man in Abschnitte unterteilt, die jeweils eine große Darstellung von einer Szene aus Anens Leben enthielten. Eine zeigte den Hohen Priester als jungen Mann mit einer schlanken Taille und breiten Schultern, der in einem Boot stand und mit einem spitzen Speer nach gelbbauchigen Barschen fischte, während von einer nahe gelegenen Sandbank träge grüne Krokodile und blaugraue Flusspferde zuschauten. Ein anderes Gemälde stellte ihn dar, wie er im Tempel vor Amun stand, der ihm ein Anch der Unsterblichkeit überreichte.
    So atemberaubend diese Bilder auch waren, es war das dritte Wandfeld, das Benedicts Aufmerksamkeit erregte. Dieses zeigte Anen und einen anderen Mann. Die zweite Person hatte

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