DSR Bd 4 - Das Schattenlicht
in den Sinn gekommen«, räumte Farrell ein. Er klopfte seine Pfeife gegen einen Zapfen des Steuerrades und steckte sie sich dann wieder in den Mund. »In der Tat, Sir, das ist in hohem Maße zu wünschen. Und wenn wir in freundlicheren Gewässern wären, würde ich nicht das Gefühl haben, dass diese Ansicht fehl am Platze ist.«
Burleigh hörte die unausgesprochene Bedingung in der Stimme des Seemanns. »Allerdings?«, fragte er.
»Es ist am besten, wenn wir auf der Hut sind, Sir. Das ist alles, was im gegenwärtigen Augenblick gesagt werden muss.«
»Ihre Besorgnis ist gebührend vermerkt worden, Mr Farrell.« Der Earl warf einen letzten Blick über seine Schulter auf den weißen Fleck – auf den Schoner, der sie verfolgte. »Falls Sie meine Anwesenheit nicht benötigen, werde ich mich in meiner Kabine aufhalten. Zögern Sie bitte nicht, mich herbeizurufen, wenn sich die Situation verändern sollte.«
Der Seemann hob seine Hand und berührte seine Schläfe mit einem Fingerknöchel zum traditionellen Seemannsgruß. Burleigh ging die Stufen des achtern befindlichen Niedergangs zu seiner Kammer hinunter, wo er sich die Stiefel auszog. Er streckte sich auf seinem Bett aus und schlief schon bald wie ein Toter. Als er ein paar Stunden später erwachte, kehrte er zum Achterdeck zurück und sah, dass die Sonne niedriger im Westen stand und der dunkle Klecks, den man von Backbord aus erblicken konnte, zu einer beträchtlichen Masse angewachsen war. Burleigh entdeckte einen schwachen erdhaften Geruch von Land im Wind. Das geheimnisvolle Schiff, das ihnen im Nacken saß, war inzwischen viel näher.
»Wie steht es um unsere Reise, Kapitän?«
»Da sind Sie ja! Erspart mir, jemanden zu schicken, um Sie zu holen, Sir.«
»Das andere Schiff ist nun sehr viel näher, wie ich sehe.« Burleigh neigte den Kopf zur Seite und warf einen kurzen Blick nach hinten.
»Gewiss, das ist es«, pflichtete der Seemann ihm bei. »Daran lässt sich nichts ändern. Wir hauen fix genug durchs Wasser, aber der Schoner da drüben ist eine schnelle Möwe, und das ist eine Tatsache. Beachten Sie, Sir, er fährt unter keinen Farben.«
Burleigh wurde zunehmend vertraut mit der Sprache der Seeleute. Das Wort »Farben« bedeutete Flaggen im Allgemeinen, konnte jedoch auch Reedereiflaggen, Dienstflaggen oder irgendeine aus der Vielzahl von Signalflaggen meinen. »Keine Flaggen« bedeutete, dass das Schiff nicht identifiziert werden konnte, was immer ein schlechtes Zeichen war. Seine Lordschaft schaute auf das sich vor ihnen abzeichnende Land und auf das Schiff hinter ihnen, dann versuchte er, die Länge beider Strecken abzuschätzen. Die Percheron schien sich ungefähr auf halbem Wege zwischen den zwei Punkten zu befinden.
»Der nächste Hafen ist Kap Trafalgar«, fuhr Farrell fort und wies auf einen kleinen hellgrauen Klecks an der grünen Küste, die sich am Horizont zeigte. »Wenn wir mehr Segel mit uns führten, könnten wir elegant in den Hafen einfahren. Unter den gegebenen Umständen wird’s ein enges Rennen sein. Abgesehen davon, wenn die hinter uns sehen, wie wir auf Trafalgar zusteuern, mag das allein ausreichend sein, um sie zu überzeugen, auf Distanz zu bleiben.« Er klemmte die nicht angezündete Pfeife zwischen seine Zähne. »Die Hafenkanonen, verstehen Sie.«
»Tun Sie Ihr Bestes«, sagte Burleigh zu ihm. Er ging zur Achterreling und stand eine Weile dort, um den Schoner zu beobachten. Mit seinen zwei Masten führte der Schoner doppelt so viel Segeltuch mit sich als seine Brigantine. Das Gefährt lag niedrig im Wasser, und sein spitzer Bug schien nicht sosehr die Wellen zu durchschneiden, sondern vielmehr über sie hinwegzuhüpfen – es ritt auf der Dünung und gewann mit jeder Woge an Boden.
Er stand im Achterschiff und schlug immer wieder mit der Faust auf die Reling; mit jeder Minute, die verstrich, wuchs das Gefühl von Hilflosigkeit. Ruhelos kehrte er für einen Drink zu seiner Kabine zurück, und als es ihm nicht gelang, auf diese Weise seine Nerven zu beruhigen, marschierte er wieder zum Steuerhaus hoch. »Wie lange wird es dauern, bis sie uns einholen?«, verlangte er zu wissen.
»Nicht lange jetzt«, antwortete Farrell. »Ein halbes Glas schätzungsweise – wenn überhaupt. Doch wir werden ihre Absichten noch früher kennen.«
»Wieso?«
Er zeigte auf das Stundenglas in seinem Gestell neben dem Steuer. »Wir werden in Reichweite ihrer Kanonen geraten, bevor dieses Glas gedreht wird.«
»Nicht lange alsdann«,
Weitere Kostenlose Bücher