DSR Bd 4 - Das Schattenlicht
anderen.«
Gianni zeigte ein mitfühlendes Nicken. »Die Welt ist nur zu voll von solchen Leuten.«
Ein paar Augenblicke später erschien wieder Mina mit Zusicherungen, dass – ja – ihr Teil der Meisterkarte noch immer geschützt und sicher war, zusammen mit der Kopie, die sie angefertigt hatten. »Alles ist okay«, sagte sie zu Kit. »In Ordnung? Ich habe ein Geschäft, das ich führen muss. Also, warum geht ihr zwei nicht und findet erst einmal etwas zu tun für euch? Und wir setzen uns später alle hin und diskutieren, was deswegen zu tun ist.«
»Versuchst du etwa, uns loszuwerden?«, wollte Kit wissen.
Mina schritt bereits durch die Tür. »So etwas in der Art.«
»Ich kann erkennen, wenn ich nicht erwünscht bin«, murmelte Kit. »Komm, Gianni. Lass uns ein Käffchen trinken. Wir müssen über unsere Expedition in die Steinzeit sprechen und darüber, was wir wegen jenes Baumes unternehmen sollen, wenn wir dorthin kommen.«
Der Priester zögerte. »Nichts würde mich mehr erfreuen – ich muss jedoch den Töpfer besuchen gehen, bevor der Markt schließt.«
Kit, der bereits stinksauer war, rollte ungläubig seine Augen. »Bin ich der Einzige, der darum bemüht ist, zur großen Jagd zurückzukehren?«
»Tut mir sehr leid«, sagte Gianni. »Aber heute ist der einzige Tag, an dem der Töpfer zum Markt kommt. Und ich habe ein Treffen mit ihm vereinbart.«
»Alles klar. Dann leg mal los«, erwiderte Kit. »Bis später.«
Sie trennten sich voneinander, und Kit stopfte seine Habseligkeiten wieder in die Truhe hinein, schloss sie und trat sie zurück an ihren Platz. Dann schlenderte er hinab in den Hauptspeisesaal des Kaffeehauses. Dort waren ein paar dunkel gekleidete, rührige, bärtige Geschäftsmänner, die die Bänke an der hinteren Wand säumten; sie sprachen in leisem Tonfall und tranken schlückchenweise den Kaffee aus ihren eigenen, persönlichen Tassen, die Wilhelmina nur für sie vorbehielt. Drei würdevolle Matronen mit kunstvoll gekraustem Haar und Satinkleidern in Grün und Blau belegten einen Tisch unterhalb der Fenster, wo das Licht besser war und wo sie sicher waren, dass sie den vorbeigehenden Fußgängerverkehr beobachten konnten und von ihm beobachtet wurden.
Das Nachmittagsgeschäft hatte sich verringert und die Menschenmenge am frühen Abend würde noch eintreffen müssen, daher war es im Kaffeehaus relativ ruhig – abgesehen vom Klappern der Pfannen und Tabletts, das von der Küche ausging. Dort arbeiteten Etzel und seine Helfer daran, die Leere auszufüllen, die in ihrem Backwarenvorrat durch anspruchsvolle Gaumen verursacht worden war. Kit gab die Kaffee-Idee auf und entschied stattdessen, nachzusehen, wie Cass mit dem Testen vorankam.
Er verließ das Große Kaiserliche Kaffeehaus und ging mit ausholenden Schritten über den Marktplatz. Das Kaufen und Tauschen war immer noch in vollem Gange; auf dem Platz drängten sich die Händler und ihre Verkaufsstände, und die engen Gänge waren mit Käufern vollgestopft. Wilhelmina hatte für Cass arrangiert, dass sie in einem angemieteten Raum über der Apotheke wohnte. Kit trat ein und grüßte laut Anya, die Apothekerin, eine begüterte Witwe, die das Geschäft seit dem Tod ihres Ehemannes vor vielen Jahren alleine führte. »Guten Tag«, intonierte er auf Deutsch und hob einen Finger himmelwärts. Sie nickte, und er stieg die Treppe hinauf.
Cass hatte ein rudimentäres Laboratorium auf einem freigeräumten Tisch errichtet, den sie zum hellen Platz unterhalb des einzigen Fensters im Raum gerückt hatte. Sie war bei der Arbeit und summte dabei vor sich hin. Ihr Anblick heiterte ihn unerwarteterweise auf; und der Klang ihres leisen, kehligen Gesangs bezauberte ihn. Er blieb im Eingang stehen und gönnte sich ein oder zwei Sekunden, um den Augenblick zu genießen, bevor er gegen den Türrahmen klopfte.
»Heda!«, rief er. »Wie steht die Schlacht?«
»Oh, hi, Kit«, erwiderte sie und blickte rasch mit einem Lächeln über die Schulter, bevor sie sich wieder dem Tisch zuwandte. »Komm herein und schau selbst.«
In dem Bemühen, die Identität des geheimnisvollen Materials zu bestimmen, das den Schattenlichtern Leben einhauchte, hatte Cassandra das Gehäuse von Kits zerstörter Apparatur aufgebrochen. »Wenn Sachen ausgebrannt sind, kann man aus den zurückgelassenen Überresten eine Menge über die Zusammensetzung erkennen«, erklärte sie. »Aschen aller Art haben eine chemische Signatur.«
Kit nickte anerkennend. »Was kannst du aus
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