Du bes Kölle: Autobiografie
allem, was vier Räder hatte. Da kannte man keine Skrupel. Der Horst saß also neben mir, und hinten Irmgard, mit der ich damals schon zusammen war. Irgendwann ging es in einer geschwungenen Kurve den Berg runter, und dann passierte irgendwas. Die Bremsen funktionierten nicht richtig, so fühlte sich das für mich an. Ich erinnere mich an Hühner, die hochflatterten. An Gegacker und an den Knall, als ich mit der Felge gegen den Bordstein krachte. Lustig war das nicht, keine Sekunde. Zumal wir ein recht hohes Tempo draufhatten. Irgendwie habe ich die Karre zum Stehen gebracht, und dann liefen auch schon diese ganzen Bauern auf uns zu, um ein großes Palaver zu veranstalten: »Blablabla, dä hät unsere Höhner kapottjefahre!« Der Horst meinte nur: »Jevv Jas, mir müsse he fott!«
Später stellte sich heraus, dass hinten rechts die Felge verbogen war. Mit diesem Ei hat die Kiste ziemlich geschlackert, den Rückweg über mussten wir es sehr langsam angehen lassen. Aber ich saß ja jetzt sowieso auf dem Beifahrersitz, Horst Graf hat mich nicht mehr an den Lenker gelassen. Das größere Problem begann jedoch zu Hause, denn dieses Cabrio gehörte einem Türsteher vom Big Apple an der Luxemburger Straße, dem heutigen Luxor. Eine ziemliche Kante war das, wie man sich denken kann. Horst hatte dem die Karre einfach wieder vor die Tür gesetzt und sich dann verdrückt. Aber das ging natürlich nicht lange gut. Nachdem der Typ den Schaden bemerkt hatte, hat er sich gedacht: »Oh, warte, du Drecksack! Dat häste nit ömesöns jemaat!« Und dann hat er sich den guten Horst bei nächster Gelegenheit zur Brust genommen und ihm ohne Vorwarnung eine eingescheppt.
Am nächsten Tag traf ich ihn mit seinem blauen Auge. Dass er diese Prügel hinnahm, ohne mich zu verraten, rechne ich ihm hoch an! Viele Jahre später hat mich jener Rausschmeißer mal beiseitegenommen, der kannte inzwischen die wahre Geschichte. Aber da war längst Gras über die Sache gewachsen. Wir haben uns schlappgelacht.
SCHWEINE IN WEISSEN WESTEN
Für eine Weile spielte bei den Black Beats auch ein Mann, mit dem ich in den folgenden Jahrzehnten noch häufiger zu tun haben sollte: Heinz Ganss alias King Size Dick. Seine vorige Band Dick & The Shades war eine echte lokale Größe gewesen, die Jungs standen für Rock ’n’ Roll mit Performance-Elementen. Und der King Size war, so kann man das wohl sagen, ein früher Headbanger im rheinischen Raum.
Seinen Künstlernamen, nun ja, fanden wir schon damals bedenklich. Keine Ahnung, wie und von wem der erfunden wurde, aber mit Sicherheit wusste damals niemand, dass »Dick« im Englischen auch für das männliche Geschlechtsorgan steht. Und dann auch noch in der King-Size-Ausführung! Aber eigentlich ging es natürlich um die Leibesfülle, King Size Dick war halt der Dicke Dick. Wie wir alle konnte auch der Heinz eigentlich nur Blendax-Englisch. Der sang die Texte so, wie er sie sich rausgehört hatte, egal ob die Worte dann Sinn machten oder nicht. Aber wenn dieser Kerl mit seinem bärigen Organ »Mustang Sally« anstimmte, dann brannte der Laden.
Seine Körpergröße war auch für die Black Beats nicht gerade ein Nachteil. Heinz konnte hinlangen, wenn es mal brenzlig wurde. Als es mit den Bläck Fööss dann im Karneval richtig losging, holte ich den alten Kollegen 1975 als Fahrer mit ins Boot. Und bald schon hatte er auch seine eigenen Bühnenparts, wir wussten ja, was der Mann für eine Stimme hat. King Size kam zum Beispiel immer für »Linda Lou« auf die Bühne, dafür war ich ihm außerordentlich dankbar. Der Song geht richtig an die Substanz deiner Stimme, vor allem, wenn du im Laufe des Konzerts wieder ein paar weichere Lieder singen sollst. Bald war klar, »Linda Lou« ist jetzt die Nummer vom Heinz – der große Mann, der von einer Frau unter den Tisch gesoffen wird. Passte perfekt. Und auch später, als wir en suite im Millowitsch spielten, war er auf der Bühne immer dabei.
Irgendwann jedoch kam die Zeit, da wurde es schwierig mit uns beiden. Als dieser Mensch, den ich so lange kannte und der ein ziemlich wilder Geselle gewesen war, plötzlich auf rheinischen Stimmungssänger machte. Auch der Heinz musste sein Geld verdienen, klar. Doch dabei frage ich mich stets: Inwieweit bist du fähig, dich zu verbiegen? Inwieweit bist du bereit, dich zu verbiegen? Und wie schaffst du es, bei dieser elenden Gymnastik nicht krank zu werden? Viele Menschen verbiegen sich für ein bisschen Kohle, ich nehme an, so
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