Du bes Kölle: Autobiografie
die Freundin von Uli Richter, dem Gitarristen. Und um den leeren Posten in der Band zu besetzen, hat er zu ihr gesagt: »So, du spielst jetzt Bass.« Annelie war nicht groß, im Nachhinein erinnert sie mich an Suzi Quatro. Sie spielte einen Höfner-Bass à la McCartney, der mit diesem geigenförmigen Instrument auch heute noch auftritt. Sie konnte toll singen, unter anderem hatte sie viele Nummern von Chuck Berry drauf. Das war schon ein toller Anblick: ein Mädel mit blonden Haaren bis zum Hintern, das mit seiner tiefen, rauchigen Stimme Chuck-Berry-Songs singt.
Annelie entwickelte sich in der Folge für mich zum wichtigsten Bandmitglied. 1966 war ich immer noch minderjährig, gerade einmal 16 Jahre alt, und Guys and Doll probten im Bergischen Land – von Sülz aus damals eine Weltreise. Also holte Annelie mich für jede Probe und jeden Gig zu Hause ab. Anfangs hatte sie sogar bei meiner Mutter vorsprechen müssen. Schließlich kam ich in mancher Nacht überhaupt nicht heim, je nachdem, wo wir aufgetreten waren. Aber Annelie hat ihren Antrittsbesuch perfekt gemeistert. Die kam nicht irgendwie funkig oder ausgeflippt rüber, sondern konnte schwer solide wirken.
GESCHICHTEN, DIE MAN BESSER NICHT ERZÄHLT
Selbst wenn meine Mutter sich manchmal Sorgen gemacht haben mag, wusste sie doch, dass ich als Musiker immerhin weg von der Straße war. Ich habe keine Scheiße gebaut, ich habe nie Zigarettenautomaten geknackt. Sondern ich habe Musik gemacht. Wenn ich zurückdenke, fallen mir dazu viele traurige Geschichten ein. Alte Kumpels, die auf der Strecke geblieben sind. Die Drogen, das Ringmilieu der 60er und so weiter haben ihre Opfer gefordert. Manches Mal stand ich sogar selbst mit einem Bein in diesem Sumpf, ohne es zu merken.
Es gibt Geschichten, die man besser nicht erzählt. Zumal manche der Betroffenen von damals noch am Leben sind. Ich hatte da einen speziellen Kumpel ... Der saß so einige Male im Knast, und wegen dem bin ich in eine dieser zwielichtigen Sachen reingeraten. Kann ich wirklich nicht viel zu sagen, aber das Ende vom Lied war: Ich bin mitten in der Nacht zu Fuß von Düren nach Köln gelaufen – ich moot zo Fooß noh Kölle jon.
Meine Mutter wusste davon natürlich nichts. Und Probleme bekamen wir ohnehin eher auf manchen Bühnen als auf der Straße. In Ehrenfeld an der Venloer Straße gab es eine kleine Kneipe, in der wir einen unserer miesesten Gigs hatten. Der ganze Laden bestand letztlich nur aus einem Schlauch mit einer winzigen Bühne. Uli und Bernhard als studierte Typen, Annelie mit ihren langen Haaren und ich kleiner Fetz hinten am Schlagzeug – das war wohl an jenem Abend nicht die Band, die das Ehrenfelder Publikum dort sehen wollte. Schon gar nicht fuhren sie auf unsere Soulstücke ab. Und dann baut sich da plötzlich einer vor dem Uli auf und sagt: »Hürens, Jung, du spills jetz ens Satisfaction, versteiste?! Un wennste dat nit deis, maache ich us dinger Jittaren Achterbahn.« Damit standen wir vor einem echten Problem, denn »Satisfaction« von den Stones hatten wir nicht im Programm. Das war uns damals viel zu läppsch, dieser Song. Und was sollte das auch überhaupt heißen: »I can’t get no satisfaction«? Irgendwie schaukelten wir den Auftritt, wie auch viele andere. Und danach fuhr mich Annelie in ihrem schicken Renault 4CV nach Sülz. Diese Autos nannte man damals Cremeschnittchen, weil sie anfangs mit Restposten der Wüstentarnfarbe des deutschen Afrikakorps lackiert wurden.
Richtig schöne Karren hatte auch Uli Richter immer, denn der bekam noch Geld von zu Hause. Uli stammte aus einer reichen bayrischen Familie, die in Sanitärbedarf machte. Später hat er seine Eltern dann auch beerbt und mit der Kohle eine Surfschule aufgemacht, in Westfrankreich an der Atlantikküste. Uli hat sogar eigene Surfbretter entwickelt, der war richtig findig.
Irgendwann ging es schließlich auch mit Guys and Doll zu Ende. Eingeläutet worden war dies sicherlich nicht zuletzt durch die schwierige Beziehung zwischen Uli und Annelie. Die beiden waren sehr lange zusammengewesen, auf welche Art auch immer. Ich habe nie genau durchschaut, was die beieinanderhielt. Früher oder später jedoch stellte Annelie fest, dass auch Mike Cummings ein netter Kerl war, und die beiden verliebten sich ineinander. So geht das halt, was willst du machen? Falls Uli sauer war, hat er sich, wenn ich mich recht entsinne, ziemlich zusammengerissen.
Keine Ahnung, was Uli Richter heute so treibt. Annelie, das weiß
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