Du bes Kölle: Autobiografie
Lale Andersen und Marika Rökk zum Beispiel. Manchmal hat mich mein Vater zu Auftritten auf dem Rhein mitgenommen. Die Ausflugsschiffe tuckerten bis Königswinter, bis zum Drachenfels, danach ging’s wieder zurück nach Köln. Und um den Passagieren etwas Unterhaltung zu bieten, wurde während der ganzen Fahrt Musik gemacht. Dort waren nicht nur die Botze am Start, sondern alle möglichen kölschen Sänger und Redner. Ich erinnere mich in dem Zusammenhang etwa an Fritz Weber, von dem unter anderem »Ich bin ene kölsche Jung« stammt. Und an den Büttenredner Karl Schmitz-Grön, der 2002 mit sagenhaften 104 Jahren gestorben ist.
Beliebt waren die Botze vor allem für ihre Parodien. Dafür knöpften sie sich bekannte Schlager vor und setzten auf die Melodien ihre eigenen Texte. Man denke nur an Caterina Valente und ihren Hit »Ganz Paris träumt von der Liebe«. Bei den Vier Botze hieß das stattdessen: »Janz Paris steit unger Wasser, janz Paris kritt nasse Fööss.«
Daneben hatten die Botze aber auch Hits wie die »Kayjass« im Programm. Die Hymne auf den Lehrer Welsch stammt zwar von den Drei Laachduve und aus dem Jahr 1938. Aber erst die Version der Botze von 1945 machte den Song richtig bekannt. Besonders gern mochte ich außerdem ein Lied, das mein Vater immer gesungen hat: »Komm mal zum Papa aufs Schößchen, komm mal ein bisschen zu mir. Und wenn du brav und artig bist, dann bleib ich auch immer bei dir.« Sehr liebevoll klang das, gesungen auf eine getragene, leicht schunkelnde Melodie. Habe ich noch heute als Schellackplatte zu Hause.
TEEBEUTELSUPPEN
Die Vier Botze haben oft irgendwo an der Front gespielt. Jenseits dessen war mein Vater auch selbst als Soldat im Einsatz, in Skandinavien, soweit ich weiß. Aber ich kann mir diesen Mann beim besten Willen nicht mit einer Knarre in der Hand vorstellen. Der war bis ins tiefste Innere Pazifist. Nach dem Krieg lag seine Musikkarriere zunächst einmal brach. Trotzdem musste eine große Familie durchgebracht werden. Und das hat er gut gemacht, mein Vater, in der Hinsicht kann ich nur den Hut vor ihm ziehen. Und genauso vor meiner Mutter, ganz viele Hüte sogar. Die Evakuierung zum Kriegsende hin hatte die Familie in den Westerwald verschlagen, wo nach der Kapitulation die US-Armee einzog. Weil mein Vater Englisch konnte, verdingte er sich bei den Amis als Koch. Der war in der Lage, aus nichts etwas zu zaubern. Später in den 60ern betrieb er für einige Jahre die Sportflieger-Klause am Butzweilerhof, und auch dort hat er selbst gekocht. Um das Aroma seiner Suppen aufzupeppen, verwendete er zum Beispiel einen sehr eigenwilligen Zusatz: Er legte Teebeutel hinein.
Auf dem Gelände des Butzweilerhofes habe ich später so manchen Ferientag verbracht. Hin und wieder gab es Höhepunkte wie die Segelflugwoche. Da kamen Clubs wie der Polizeisportverein oder die Ford-Gruppe und demonstrierten ihr Können. Für mich als kleiner Panz war das eine spannende Zeit. Und das absolut Größte war es, mit einem Zweisitzer-Segelflugzeug, einer K 7 zum Beispiel, ein paar Runden durch die Luft zu drehen. Auch heute noch träume ich davon, den Flugschein zu machen – na ja!
Als mein Vater die Kneipe 1965 aufgab, war er schon zwei Jahre von zu Hause fort. Die richtig großen familiären Zusammenkünfte habe ich leider nicht miterlebt, weil ich so ein später Nachzügler war. Aber auch ich habe nie allein am Tisch gesessen, das gab es bei uns nicht. Unsere Wohnung in der Sülzer Lotharstraße verfügte noch über eine richtige Wohnküche, wie das früher üblich war. Ein großer Tisch gehörte dazu, und am Fenster stand ein geräumiges Sofa. Vom Balkon aus konnte ich über die Mülltonnen in den Hinterhof klettern. Eine Tonne habe ich schon deshalb immer genau darunter platziert, damit meine Katze ins Haus springen konnte.
Am Kopfende des Tisches, mit dem Rücken zum Balkon, saß immer mein Vater. Ein Problem von damals mag heute überraschen: Ich war ein sehr schlechter Esser. Ich mochte nämlich sehr vieles nicht. Nehmen wir nur mal Spinat, das war das Grauen! Deshalb wendete mein Vater oft einen Trick an, um mich zum Essen zu bringen. Dann schmierte er sich sein Butterbrot immer mit unglaublicher Sorgfalt, als wäre diese Scheibe das Wertvollste auf der Welt. Und wenn er fertig war, schnitt er sie in kleine Reiterchen, um sie daraufhin unglaublich genussvoll zu verzehren. Völlig klar, dass er die ganze Nummer nur für mich abgezogen hat, der ich immer direkt neben ihm saß.
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