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Du bes Kölle: Autobiografie

Du bes Kölle: Autobiografie

Titel: Du bes Kölle: Autobiografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Engel
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Feierlichkeiten im Gürzenich mit Essen und Getränken. Thomas Liessem trank dort als Sitzungspräsident also quasi seine eigenen Spirituosen.
    Als ich acht Jahre alt war, schenkte mir mein Patenonkel eine Uniform der Prinzengarde. Darin »durfte« ich sogar einmal als Prinzengardist auf Liessems Wagen im Rosenmontagszug mitfahren – ganz unten, zu seinen Füßen. Diese Verkleidung sollte mir die kommenden Sessionen versauen, denn sie war furchtbar unbequem. Der absurd hohe Messinghelm drückte mir schwer gegen die Stirn, die darunterliegende Perücke betäubte meine Ohren. Alles juckte und piekte und schmerzte, dabei wär ich viel lieber als Cowboy rumgelaufen, wie die anderen Jungs in meinem Alter. Aber mein Vater bestand darauf, dass ich auch in den Folgejahren als Gardist ging. Einschneidende Erlebnisse, wobei es allerdings überinterpretiert wäre, daraus meine späteren Probleme mit dem Karneval herzuleiten.
    Genauso gut wie an die schreckliche Uniform erinnere ich mich an die Geschichte mit Thomas Liessems Pralinen. Ich ging mit meinem Vater spazieren. Vom Neumarkt aus kamen wir an der Wolkenburg vorbei und wollten über die Zülpicher Straße wieder nach Hause gehen. Plötzlich jedoch sagte mein Vater zu mir: »Ach, he wonnt doch d’r Thomas, dinge Pattühm. Jangk dä doch ens besöke.« Ich wusste nicht, was ich da sollte, aber mein Vater meinte: »Saach dem einfach ens Joden Dach, un dann luure m’r wigger.« Mein Vater hatte immer einen gesunden Erwerbssinn, der wollte mir sicherlich etwas Gutes tun in dem Moment. Er selbst hat draußen gewartet, ich sollte allein gehen. Also wurde ich von einer Frau, Liessems Sekretärin vielleicht, angemeldet. Die Tür ging auf, und was ich sah, war sehr beeindruckend. Ich könnte diesen Raum noch heute aufmalen. Der Schreibtisch stand direkt hinter der Tür, und sämtliche Wände waren mit dunklen Holzpaneelen ausgeschlagen. Sehr edel war das alles, irgendwo stand sogar ein großes Modellsegelschiff. Und vor allem roch es durchdringend nach Zigarren. Den Liessem sah man praktisch nie ohne seine Zigarre. Dann kam er auf mich zu und sagte: »Tömmes, das ist aber eine Überraschung!« Er hat mich umarmt, wir haben uns kurz unterhalten, und dann hat er mir zehn Mark in die Hand gedrückt. Am Ende ging er noch an eine seiner Schubladen und kramte da eine Riesenschachtel Pralinen heraus. »Dat es för ding Mamm«, sagte er, und dann war ich entlassen.
    Meine Mutter hat sich natürlich gefreut. Aber als sie ein paar Tage später mal ein Pralinchen essen wollte, kam das böse Erwachen. Die waren nämlich komplett verschimmelt. Der Liessem, der Sack, hatte die wahrscheinlich schon jahrelang in seinem Schrank liegen.

PÄNZ, PÄNZ, PÄNZ
    Bei dem Bläck-Fööss-Song »Pänz, Pänz, Pänz« (1975) handelt es sich um ein Neil-Young-Cover. Ein schönes kölsches Wort ist das: Pänz. Und es passt herrlich zum englischen Original, denn bei Neil Young lautet der Refrain »Dance, Dance, Dance«. Vom Rhythmus her erinnert unsere Version an eine Polka, während es inhaltlich um die Probleme von Kindern in der Großstadt geht: um verbotene Grünanlagen, um fehlende Spielplätze und mosernde Erwachsene.
    Ich selbst habe noch ein ganz anderes Köln erlebt. An Spielplätzen gab es für uns keinen Mangel, die fanden wir auf Trümmergrundstücken genauso wie in Bombentrichtern. Sülz war unsere Welt, mehr brauchten wir auch nicht. Sobald der erste Schnee fiel, marschierte ich mit meinem Schlitten in den Beethovenpark, das gehört zu meinen schönsten Kindheitserinnerungen. Auch dort gibt es einen alten Schuttberg aus Kriegstrümmern. Den kraxelten wir hoch mit unseren Schlitten, und dann jagten wir runter. Von morgens bis abends. Noch immer ist mir dieses Geräusch unangenehm in den Ohren, das der Schlitten auf den Straßen machte, wenn der Schnee dort schon geschmolzen war. Dieses Knirschen und Kratzen der Kufen – unvermeidlich, wenn man das Teil nicht tragen wollte. Hart war auch, dass die Klamotten mit jedem Sturz immer nasser wurden. Wir hatten meist einfache Trainingsanzüge an, unten pumpig und mit einem Gummizug versehen. Wenn die sich voll Wasser sogen, wurden sie immer schwerer. Die Feuchtigkeit gefror wieder, und am Ende hingen dir gebrochene Eisschollen um die Knöchel. Den Heimweg absolvierten wir dann durchgefroren und steif wie Holzmännchen.
    Ich weiß noch, einmal habe ich mir zu Hause nach so einem Tag eine Wärmflasche gemacht. Meine Mutter hatte mir zwar mal gezeigt,

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