Du bes Kölle: Autobiografie
Kaiser-Friedrich-Halle in Mönchengladbach saßen wir im Garten. Festlich wie ein Schlosspark wirkte der, man kam sich vor wie im Urlaub. Ausgeglichen wurden solche Ausgaben dadurch, dass wir Heimschläfer waren. So weit von zu Hause traten wir ja meistens nicht auf. Unser entferntester Gig fand, soweit ich mich erinnere, in Leipzig anlässlich einer Fernsehshow statt.
Sehr gefreut hat es mich immer, wenn wir einen unserer Pedal Steeler dabei hatten, also Frank Baum oder Steve Bohn. So eine Pedal-Steel-Gitarre sieht im ersten Moment aus wie ein großer Eierschneider, aber das ist für mich eins der schärfsten Instrumente überhaupt. Wenn ich diese Jungs spielen sehe, wird mir schwindelig. Bei der Pedal Steel sind neben deinen Händen auch die Füße und Knie im Einsatz. Frank oder Steve kamen gegen Ende einer Produktion ins Studio, um ihre Overdubs einzuspielen. Ich habe mich immer dazugesetzt und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wenn die Jungs mal wieder genau an der richtigen Stelle ihre Pedal reindrückten, erlebte ich einen jener magischen Momente, in denen ich mir sage: »Thomas, es ist schön, dass du Musik machst.«
SACH MIR DAT ZAUBERWORT
So oft wie möglich begleiteten uns die Pedal Steeler auch live. Einer der Songs, der durch dieses Instrument geprägt wird, ist »Saunaboy«.
Die Komposition stammt von Rolf Lammers und Mike Gong und hatte schon ein paar Jährchen auf dem Buckel. Ursprünglich hieß die Nummer »Sunnyboy« und handelte von einem Typen, der zu Hause auf den – immer ausbleibenden – Anruf seiner Freundin wartet. Irgendwie passte das aber nicht zu uns, jedenfalls sahen das Arno und ich so. In seinem Studio in der Lindenstraße verwandelten wir dann den Sunny-in den Saunaboy, und das war eigentlich schon die halbe Miete. Der Text entstand daraufhin ohne größere Umstände. Schließlich verfügten wir über genug Fantasie, um uns auszumalen, wie es in so einem Etablissement aussehen mag:
Dann läje ich mich supercool
Bei et Heidi en d’r Wirbelpool
Un steije dann die Bloose op
Es minge stiefe Nacke fott
»Für et Hätz un jäje d’r Kopp« ist demgegenüber, wenn man so will, eine Hymne auf die Humanität. Das Lied finde ich immer wieder ergreifend, weil es mir aus dem Herzen spricht. Jeder sollte für sich versuchen, ein besserer Mensch zu werden und diese fürchterliche Skrupellosigkeit und Kälte aus der Welt zu vertreiben. Musikalisch wurde »Für et Hätz un jäje d’r Kopp« von der gesamten Band erarbeitet. Daran hatten außer uns dreien auch Helmut Krumminga (Gitarre) und Hans Maahn (Bass) ihren Anteil. Manchmal erinnerten mich die Proben mit L.S.E. an die Fööss-Zeiten bei Dieter Dierks im Studio. Bei ihm hatte es damit angefangen, dass auch die Bläck Fööss ihre Songs selbst erarbeiteten und aufnahmen – so wie ich es mir immer gewünscht hatte. Und auch bei L.S.E. war niemand, der nur seinen Stiefel durchzog, nein, die hatten alle echten Spaß an diesen Liedern.
Es gibt für mich jedoch noch ein weiteres Argument dafür, warum diese Nummer zu Recht zum Titelsong unseres ersten Albums wurde. Denn jenseits des wichtigen Inhalts haben wir damit auch sprachlich noch einmal eine neue Tür aufgemacht. Sich auf Kölsch eines solchen Themas anzunehmen, ist schwierig. Das kann schnell dümmlich und bäuerlich wirken, und auch ich war in der Hinsicht anfangs skeptisch. Wir wissen alle, dass es keine kölsche Entsprechung für das Wort »Liebe« gibt. Aber im Nachhinein finde ich tatsächlich, dass das Kölsche mit diesem Song um ein paar Facetten reicher geworden ist. Man denke nur an die sehr poetische Eingangsstrophe:
Sach mir dat Zauberwort
für all, die nix zo lache han
für dä ein do weed e Wunder wohr
ne andre waat e Lääve lang
DER KÖLSCHDETEKTOR
Ich habe es bereits an anderer Stelle erwähnt: Mit dem kölschen Dialekt kann man sich auch schnell einmal lächerlich machen. Da muss man gut aufpassen, um nicht in der Proll- oder in der Kitschecke zu landen. Über mich selbst sage ich immer, ich bin »twice«. Innerhalb eines Satzes kann ich jederzeit zwischen Kölsch und Hochdeutsch wechseln. Im Atelier meines Freundes Anton Fuchs zum Beispiel unterhält man sich ausschließlich auf Kölsch. Anton arbeitet als Maler und Bildhauer. Eine seiner Skulpturen, genannt »Netzwerk«, steht im Kölner Zoo. Ich kannte ihn bereits lose aus dem Umfeld von Jürgen Zeltinger, und irgendwann Anfang der 2000er-Jahre freundeten wir uns an. Als ich in seinem Atelier im Rhenania
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