Du bes Kölle: Autobiografie
zum ersten Mal auftauchte, war das ein ganz einschneidendes Erlebnis für mich. Ich dachte wirklich: »Tommy, hier bist du auf einer Insel.« Es wirkte verrückt und fremd, aber zugleich befand ich mich ganz in meiner Welt. Denn dort wird nicht nur Kölsch gesprochen, da wird sogar Kölsch gedacht. Anton ist ein unglaublich lustiger, spontaner Kerl, wir mochten uns direkt. Zur Kunst hat er seine Ideen, klar. Aber hochtrabendes Gelaber hörst du bei ihm nicht. Wie sollte das auf Kölsch auch gehen?
Ich genieße es sehr, dort meine angeborene Sprache zu sprechen. Arno Steffen hat mal gesagt, in mir sei ein Kölschdetektor verbaut. Und wahrscheinlich hat er recht damit. Denken wir doch nur mal an Brings und die »Superjeile Zick«. Da haben die doch glatt von »Träne en de Aure« gesungen. Weil die meinten, richtiges Kölsch sei an der Stelle unverständlich. Oder warum auch immer. Jedenfalls fand ich das schrecklich, das kann man nicht machen. Denn es muss »Trone« heißen, und so singen die Jungs das inzwischen auch. Früher war ich in der Hinsicht eher noch pingeliger als heute, allerdings sollte man immer flexibel bleiben. Natürlich heißt »Leben« eigentlich »Levve«. Aber für den Fööss-Song »Mir klääve am Lääve« haben wir den Vokal einfach gedehnt, weil wir fanden, dass sich das besser anhört.
Mich hat auch mal jemand auf den vermeintlichen Fehler beim »Lange Samsdach en d’r City« angesprochen. Da reimt sich im Refrain auf »Stadt«: »weil et Jeld jejeben hat«. Auf Kölsch müsste es »jejovve hät« heißen, klar. Aber an der Stelle geht es um das Gespreizte, mit dem die da am langen Samstag ihr Shopping veranstalten. Da verfällt man dann schon mal gern ins Hochdeutsche, und dieses leicht Überkandidelte drücke ich auch mit meinem Gesang aus.
MELATENKÖLSCH
Immer wieder gern gehe ich in die Puppensitzung im Hänneschen-Theater. Was die da jedes Jahr aufs Neue aus dem Boden stampfen, ist einfach phänomenal. Mir gefallen vor allem die Charaktere, allen voran der Speimanes: Dä hät ene Buckel, sieht nit joot uss, aber manchmal singt er ein melancholisches Liedchen. Wie dieses Kerlchen sich seinen Lebensmut bewahrt, ist immer wieder rührend. Diese Figuren leben, so ist es doch. Das sind letztlich alles echte Menschen, auch wenn die aus Holz geschnitzt wurden. Was die auf der Hänneschen -Bühne veranstalten, transportiert immer auch Einsichten ins echte Leben. Sobald der Vorhang aufgeht, tauche ich in diese Welt ein, schon wegen der immer grandiosen Kulissen. Die erreichen eine fantastische Tiefenwirkung, da guckst du bis zum Heumarkt, zum Rhein, zum Chlodwigplatz oder sonst wohin. Sobald ich Platz genommen habe, lasse ich mich auch innerlich fallen und versinke in diesen Geschichten. Auch wenn mir bald der Hintern wehtut wegen den ergonomisch zweifelhaften Bänkchen dort, aber das gehört eben auch dazu. Ich lache mich kaputt, und ich leide mit.
Die Diskussionen darüber, ob man das Kölsch im Hänneschen womöglich modernisieren sollte, finde ich vollkommen überflüssig. Ich weiß, es kommen immer wieder Stimmen auf, die behaupten, da würde ein Melatenkölsch gesprochen. Oder die verlangen direkt, dass der Dialekt ganz verschwindet. Aber was soll das denn? Das Hänneschen ist eine Kölner Institution, da gehört das Kölsch dazu, auch wenn die Pänz mal das ein oder andere Wort nicht verstehen. Natürlich gibt es Ausdrücke, die man mit einem Kreuz versehen müsste, weil sie nicht mehr verwendet werden. Sprache ändert sich und auch unser Dialekt. Das sind Entwicklungen, die man gar nicht aufhalten kann. Aber ich glaube nicht, dass der kölsche Dialekt komplett ausstirbt. Und wenn doch? Davon fällt der Dom nicht um und geht die Stadt nicht unter. Ich halte nichts davon, solche Traditionen künstlich zu verlängern. Das ist mir zu affektiert.
Ich entsinne mich, mal mit Heinrich Lützeler aneinandergeraten zu sein. Der Professor und Brauchtumsforscher hatte unter anderem ein Buch über den rheinischen Humor geschrieben. Irgendwann in den 70ern wollte er mir erzählen, wie toll das mit der kölschen Sprache laufe. Dass die in seiner Familie gesprochen wird, dass die so lebendig sei und so weiter. Dabei war das genau die Zeit, in der Dialekte total verpönt waren. In den 60ern und 70ern war Kölsch absolut nicht salonfähig. Wenn du außerhalb vom Karneval Kölsch sprachst, wurdest du schief angesehen. Und in der Schule kriegtest du mal direkt eine Fünf oder Sechs, wenn du kein
Weitere Kostenlose Bücher