Du bes Kölle: Autobiografie
brüchiger Stimme aus Zuckmeyers »Des Teufels General«, Elke Heidenreich war genauso dabei wie Shary Reeves mit ihren Geschwistern. Und die Triviatas, der schwule Männerchor, sangen Brechts »Kinderhymne«:
Anmut sparet nicht noch Mühe
Leidenschaft nicht noch Verstand
Daß ein gutes Deutschland blühe
Wie ein andres gutes Land
Eine echte Entnazifizierung hat in Deutschland nie stattgefunden. Noch bis weit in die 70er-Jahre hinein hatte man es nur allzu oft mit Ewiggestrigen zu tun. Wenn man als Langhaariger auf der Straße herumlief, kamen unweigerlich die Blicke und die entsprechenden Sprüche: dass es so etwas unter Adolf nicht gegeben hätte. Diese Menschen kannten es nicht anders, und sie waren Teil einer breiten Masse, die solche Stimmungen transportiert hatte. Zum Glück sind diese Leute inzwischen ausgestorben, und ich glaube, dass wir in Köln gut aufgestellt sind. Sollte es hier zukünftig irgendwo brennen, werden wir uns genauso einmischen wie 1992. Die Bewegung ist ja bis heute lebendig, das beweist nicht zuletzt die Wiederholung des Konzerts zum 20. Jahrestag im November 2012.
»Arsch huh« war ein großartiges Signal. Die Stimmung damals am Chlodwigplatz ist bis heute unvergessen, unvergesslich auch für alle Beteiligten. Wenn ich darüber nachdenke, was ich damals empfand, kommt mir ein ganz kurzer, klarer Satz in den Sinn: Köln war da!
DER LETZTE GIG NACH 24 JAHREN
Für mich schuf der Aufstieg von L.S.E. leider auch neue Probleme. Schließlich war ich parallel noch Mitglied der Bläck Fööss. Das war meine Band, und die genoss trotz aller Komplikationen auch Priorität. Ein Fööss-Gig wäre immer vor einen von L.S.E. gegangen, das war für mich ganz klar.
Zugleich löste ich mich von den Fööss immer weiter ab. Nach den ungeschriebenen Gesetzen der Band war es ein Unding, zugleich in einer anderen zu spielen. Dass es mit diesem Fööss-»Sozialismus« nicht weit her war, bekam ich jedoch jedes Jahr am eigenen Leib zu spüren: Ich hatte drei Kinder, aber den Urlaub endlich mal in die Ferien zu legen, kam nie infrage. Darum scherte sich von den anderen niemand einen Dreck, da regierte also wohl eher der Spätsozialismus. Auf der anderen Seite hätte ich theoretisch sogar die Kohle, die ich mit Arno und Rolf verdiente, an den großen Topf der Fööss abführen müssen. Ein Blödsinn, über den ich mich hinwegsetzen musste.
Aus dem Karneval war ich seit 1990 ausgestiegen – an den Einnahmen der Session verlangte ich selbstverständlich keinen Anteil. Am Anfang mag es für die Fööss schwierig gewesen sein, meinen Rückzug zu kompensieren. Aber vielleicht haben die übrigen Bandmitglieder sich sogar genau deshalb dermaßen ins Zeug gelegt: um mir zu zeigen, dass es auch ohne mich geht. Und bald funktionierte es tatsächlich, indem mal der eine, mal der andere nach vorne wechselte. Zumal Erry und Peter auch tolle Sänger sind.
Die Jahre mit den Bläck Fööss, vor allem die letzten, haben Nerven und Energie gekostet. Mehrere Male hatten wir sogar versucht, uns Hilfe von außen zu holen, Leute, die unsere bandinternen Konflikte mit Gesprächen lösen sollten. Es ist nicht einfach, zu sechst zu harmonieren, und es ist nicht einfach, tagtäglich zahllose Kompromisse zu schließen. Und selbstverständlich fällt es auch niemandem leicht, sich nach so langer Zeit zu trennen.
Schon Ende der 80er-Jahre war ich so durch, dass ich einmal beinahe ganz aufgehört hätte. Damals liefen jedoch hinter den Kulissen bereits ein paar unschöne Dinge, die mich zwangsweise bei der Stange hielten. Unter anderem wurde mir signalisiert, dass ich schon aus finanziellen Gründen weitermachen müsste. Wie einzelne Bandmitglieder dahintergekommen waren, dass ich noch ein Haus abzuzahlen hatte und welche Steuerabgaben mir noch bevorstanden: keine Ahnung. Aber koscher war die Sache ganz bestimmt nicht.
Es waren dann auch nicht nur die musikalischen Differenzen und der Karneval. Hinzu kamen verschiedene menschliche Probleme, die uns auseinanderbrachten. Sehr unangenehm fand ich eine Aktion von Peter Schütten kurz vor dem Ende. Da hatte er hinter meinem Rücken versucht, sich den Namen »Bläck Fööss« zu sichern. Ich will jetzt gar nicht darauf herumreiten, dass der Bandname letztlich meine Erfindung war. Aber auf jeden Fall hätte ich doch Anteil daran haben sollen.
Darauf aufmerksam gemacht hatte mich der damalige EMI-Anwalt Donald Valbert, und mit dessen und Erry Stoklosas Hilfe konnte ich die Überschreibung
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