Du bes Kölle: Autobiografie
wiederum stammt vor allem von Rolf Lammers. Ich erinnere mich an einen Moment im Studio, der im Sinne des Wortes umwerfend war. Rolf Lammers und ich sitzen im Regieraum am Mischpult, während Arno aufs Playback singt. Und singt und singt, und spielt diese völlig genervte Mutter im Kaufhaus so gut, dass Rolf und ich heulend vor Lachen von unseren Sesseln unters Regiepult rutschen. Als Arno fertig war und aus dem Aufnahmeraum kam, waren wir verschwunden. Also musste er statt nach Ralf und Birgit nach Rolf und Tommy rufen. Später erzählte er uns, er habe gedacht, wir wären eine Tasse Kaffee trinken gegangen. »Sein lassen« ist ein Geniestreich, eine wunderbare Momentaufnahme. Schon der Anfang ist einfach der Hammer: »Verehrte Kunden, wir bitten einen Moment um Ihre Aufmerksamkeit. Im Hummerbecken unserer Feinkostabteilung ist ein kleiner Junge vorgefunden worden. Er ist mit einem gelben Gießkännchen bekleidet und hört auf den Namen Ralf. Die Eltern werden gebeten, sich zu melden.«
Da könnt ich mich noch heute jedes Mal beölen, wenn ich dran denke. Dass das Lied ein Erfolg werden würde, war mir sofort klar. Erstaunlich fand ich allerdings, dass auch diesen Song mit seinen Satzkaskaden viele Fans auswendig konnten. In den Tanzbrunnen passen über 10.000 Menschen, und die haben »Sein lassen« mitgesungen, mit gelben Gießkännchen in den Händen und Wort für Wort. Und am lautesten wurde es natürlich immer an jener Stelle, die inzwischen zu einem geflügelten Wort geworden ist: »Andernfalls – Prozess am Hals!«
Bei dem Lied handelt es sich um eine wahre Geschichte, die Arno in einem Kaufhaus erlebt hatte. Selbstverständlich überspitzt der Song die Originalsituation ein wenig. Der liebe Rallef hat nicht wirklich im Hummerbecken gelegen, während der Rest, wie Arno bezeugt, ganz den Tatsachen entspricht. In einer Hinsicht jedoch mussten wir von der Realität sogar ein bisschen nach unten hin abrücken. Die echte Mutter hatte es nämlich etwas drastischer formuliert als wir: »Wenn du jetz nit ophürs, schlach ich dir met d’r Fuus en et Heens.«
MAGISCHE MOMENTE
Arno Steffen und ich waren gemeinsam die Frontmänner. Rolf Lammers mit seiner musikalischen Bandbreite war der perfekte Mann in unserem Rücken. Wir bildeten, das sehe ich heute so wie damals, ein wirklich gut harmonierendes Trio. Arno und ich am Mikro, das passte wunderbar. Wie er nun mal ist, gab er das Enfant terrible, den immer unartigen, immer schwer berechenbaren kleinen Jungen. Und ich war der ältere, ein bisschen vernünftigere Bruder.
L.S.E. ging von Anfang an ziemlich steil nach oben, und wir absolvierten eine Menge Liveauftritte. Das Schöne war: Kein Abend verlief wie der andere. Mit Arno kann man – muss man – immer spontan sein. Wir hatten nichts zu verlieren und taten einfach, wonach uns gerade war. Und wenn ich mich vor dem Gig über eine Bügelfalte in meinem Hemd mokiert hatte, musste ich darauf gefasst sein, dass Arno dieses Problem gleich vor tausend Leuten ausbreiten würde.
Nicht ganz leicht wurde es auf der Bühne für Charly T., der mich bei solchen Liveauftritten an den Trommeln ersetzte. Damals kam er gerade von Marius Müller-Westernhagen und war die große Stadionrocknummer gewöhnt. Nun jedoch musste er sich mit meinem Stil auseinandersetzen. Eigentlich kann man so einem Mann nichts erzählen, das ist schließlich ein erfahrener Profidrummer. Aber damals hatte ich meine alte Liebe zu den Trommeln gerade neu entdeckt und war entsprechend empfindlich. Die Albumversionen hatte nun einmal ich eingespielt, und daran musste sich nun auch Charly T. orientieren. Was dabei herauskam, war kein fauler Kompromiss zwischen meinem und seinem Stil. Nein, wir hatten zwar ein bisschen Arbeit, aber das Ergebnis war klasse.
Dass es bei L.S.E. vorrangig um den Spaß und erst danach ums Geldverdienen ging, konnte man unseren Konzerten anmerken. Das fing schon bei der Instrumentierung an, wir hatten oft mehrere Gastmusiker am Start, die natürlich alle bezahlt werden mussten. Aber das war uns eine gute Show wert, und auch hinter den Kulissen ließen wir es gern ein wenig luxuriöser zugehen. Wir sind vor dem Gig nicht in die erstbeste Pommesbude gerannt, sondern haben uns ein echtes Catering geleistet. Da liefen Leute auf, die nur für uns gekocht haben, die hatten alles dabei. Vor dem Konzert wurde in der jeweiligen Halle ein langer Tisch aufgebaut, und dort dinierten wir dann alle zusammen. Hinter der ehrwürdigen
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