Du bes Kölle: Autobiografie
ordentliches Hochdeutsch konntest.
Ich rede, wie mir der Schnabel gewachsen ist, so habe ich das auch mit meinen Kindern gehalten. Wenn ich bei denen in den Dialekt verfiel, dann war das eben so. Und wenn ich heutzutage mit Pänz auf der Straße in Kontakt komme, spreche ich auch Kölsch mit denen. Damit halte ich die Sprache auf meine Art am Leben. Ich glaube, es wird immer diese kleinen Inseln geben, auf denen das Kölsche weiterlebt. Nehmen wir doch nur mal eine Figur wie die Zänkmanns Kätt aus dem Hänneschen. Wenn ich die sehe, denke ich zum Beispiel ans Café Schulze auf der Severinstraße, einer meiner Lieblingsorte in der Südstadt. Da sitzt regelmäßig eine Runde älterer Frauen, und die Zänkmanns Kätt ist immer mit dabei. Und wenn mir eine Strähne schief liegt, legt die Kätt sofort los: »Och, dä Herr Engel, luur ens, wie dä erömläuf.«
Und genau das meine ich damit: Dieses kölsche Milieu, das im Hänneschen inszeniert wird, das gibt es wirklich. Um es zu erleben, musst du nur mit offenen Augen und Ohren durch die Stadt laufen.
KÖLNWARDA
In die Zeit des frühen L.S.E.-Erfolgs fiel auch ein anderes musikalisches Ereignis von enormer Tragweite: das legendäre »Arsch huh, Zäng ussenander«-Konzert gegen Rassismus und Neonazis auf dem Chlodwigplatz. Das erste Treffen dafür fand am 22. Oktober 1992 im Stadtgarten statt. Schon an diesem Datum – keine drei Wochen vor dem großen Konzert – kann man erkennen, wie eng der Zeitplan getaktet war. L.S.E. waren bei jenem Vorgespräch komplett dabei, genauso wie Mitglieder aller anderen großen Kölner Bands. Wichtig für die Organisation war Karl Heinz Pütz.
Man muss bedenken: Das war die Zeit nach den furchtbaren rassistischen Anschlägen in Hoyerswerda, Mölln und Solingen. Für uns alle galt es, deutlich Farbe zu bekennen. Also haben wir uns an die Stadt gewendet und den Verantwortlichen unsere Pläne unterbreitet. Natürlich war es nicht einfach, die Verwaltung davon zu überzeugen, dass dieses Konzert auf dem Chlodwigplatz stattfinden musste. Die waren zunächst einmal entsetzt von dieser Idee, aber für uns gab es keine Alternative. Viele von uns kamen schließlich aus der Südstadt, und das Severinstor ist so etwas wie das Herz des Veedels. Aber als dann Karl Heinz Pütz, Wolfgang Niedecken, Roland »Balou« Temme und ich vor OB Norbert Burger und Stadtdirektor Lothar Ruschmeier standen, ging alles ganz schnell. Wir bekamen das Okay für den Chlodwigplatz. Ich glaube allerdings, dass weder wir noch die Politiker damals ahnten, worauf man sich da eingelassen hatte.
Ich erinnere mich noch genau, wie ich am 9. November 1992 oben in der Torburg stand und immer wieder nach draußen sah. Wir hatten keinen blassen Schimmer, ob unsere Aktion ein Erfolg werden würde. Und ich muss sagen, der Platz füllte sich anfangs sehr schleppend. Auf der Domplatte hatte am Nachmittag eine Kundgebung stattgefunden, und von dort trödelten bald einige Leutchen ein. Und irgendwann streckte ich dann noch einmal den Kopf durchs Fenster und dachte nur: Oh Gott! Der Chlodwigplatz platzte aus allen Nähten. Von überall her strömten die Menschen, von der Bonner Straße, von den Ringen und von hinten, von der Severinstraße. Irgendwann standen da mehr als 100.000 Leute, es war der reine Wahnsinn!
Entsprechend chaotisch verlief dann auch das Konzert, und alle waren begeistert. Auf der Bühne gab jeder dem anderen die Klinke in die Hand, querbeet sang man mal mit dem einen vorne auf der Bühne oder mal mit den anderen hinten im Chor. Mein Verhältnis zu den Bläck Fööss war damals schon nicht mehr so gut, aber wir haben unseren Auftritt ordentlich absolviert. Als ich das »Veedel« sang, kamen alle anderen Musiker mit auf die Bühne, das ist ja ein Song, der dort wunderbar hinpasste.
Was kaum noch jemand weiß, ist, dass es eigentlich zwei verschiedene Arsch-huh-Hymnen gibt. Die bekannte ist das eher getragene Lied mit dem Text von Wolfgang Niedecken und der Musik von Nick Nikitakis. Viel besser fand ich allerdings immer die Komposition von Arno Steffen. Das ist ein sehr harter, heavymetalartiger Song, der die Nazibrut auch dementsprechend aggressiver angeht: »Jäje Jewalt un Nazidreck, söns sit ihr all als Nächste weg!« Eine echte Arno-Nummer war das, nicht unbedingt konsensfähig, aber dafür künstlerisch konsequent.
Damals auf der Bühne am Chlodwigplatz wurden beide Songs gespielt und gefeiert, genau wie alle anderen Auftritte. Willy Millowitsch las mit
Weitere Kostenlose Bücher