Du bist das Boese
wegwischte, und er hörte Corvus sardische Flüche. Nach einigem Hin und Her konnte Balistreri die beiden beruhigen und folgte Hagi ins Haus. Es war Viertel nach sechs.
Um zwanzig nach sechs standen Angelo und Linda auf dem Treppenabsatz und umarmten sich zum Abschied.
»Bist du sicher?«, fragte sie in einem letzten Zweifel. Dies war der Punkt ohne Wiederkehr.
»Ganz sicher«, sagte er und trat in den Fahrstuhl. Als würde er sich vor der entscheidenden Pokerrunde seine Chips zurechtlegen.
Im Haus war es dämmrig und kühl. Durch die heruntergelassenen Rollläden sickerte kaum Sonnenlicht herein. Sie gingen ins Wohnzimmer. Fiorella Romani war mit verbundenen Augen an einen Stuhl gefesselt. Sie trug Handschellen und war geknebelt, aber sie lebte.
»Ich bin von der Polizei, Fiorella. Bald bringe ich dich nach Hause zurück, nur noch ein paar Minuten.« Das Mädchen zuckte zusammen, als Balistreri ihr beruhigend übers Haar strich.
Hagi hatte sich in einen Sessel gesetzt. Er hielt eine Pistole in den gefesselten Händen und zielte auf ihn.
»Setzen Sie sich, Balistreri. Wir haben uns noch einiges zu sagen, bevor wir für immer Abschied nehmen.«
Balistreri setzte sich Hagi gegenüber. Er war bereit, dem Bösen ins Gesicht zu sehen.
Zu leben heißt, heute zu sterben, um eine Unschuldige zu retten.
»Ich erwarte, dass Sie Ihr Versprechen halten, Signor Hagi«, sagte Balistreri und zeigte auf Fiorella.
»Ich halte meine Versprechen immer, Balistreri. Aber ich räche mich auch für Unrecht, das ich erlitten habe. Das ist unsere letzte Begegnung.«
Er sah aus wie Luzifer in Person. Die dunklen Augenringe, die dichten Brauen, die vom Fieber geröteten Augen.
»Zünden Sie mir eine letzte Zigarette an, Balistreri, und legen Sie sie auf den Tisch, ohne näherzukommen.«
Die Pistole in der einen, nahm Hagi mit der anderen, gefesselten Hand die brennende Zigarette und steckte sie sich in den Mund. Von draußen drang der gedämpfte Lärm der Badenden herein. Das Einzige, was Leben und Tod voneinander trennte, waren die von Sonne und Salz gebleichten Holzläden.
Hagi versank tief in seinem Sessel und zog genüsslich an der Zigarette. Er kostete jeden einzelnen Augenblick seines Triumphes aus und schien keine Eile zu haben.
»Warum haben Sie das alles getan, Hagi? Ein Komplott mit einem wahnsinnigen Mörder und mit dem Geheimdienst, all diese Toten, auch unter Ihren rumänischen Freunden.«
»Das sind meine Soldaten, Balistreri. Gefallen im Krieg gegen euer angeblich so zivilisiertes Volk, das nur aus falschen Frömmlern, untreuen Ehefrauen und korrupten Politikern besteht. Wie die Leute, die Elisa Sordi nachstiegen und Alina gegen mich aufhetzten. Aber sie werden alle für ihre Sünden büßen.«
»Ich verstehe, dass Sie sich an Valerio Bona, Anna Rossi und dem Kardinal rächen. Ich verstehe auch, dass Sie sich an mir rächen, weil ich Elisas wahren Mörder habe laufen lassen. Aber was haben der Geheimdienst, die Roma, die ENT und Dubai damit zu tun …«
Hagi inhalierte gierig die letzten Züge seiner Zigarette.
»Vor einem Jahr wurde bei mir Lungenkrebs festgestellt. Unheilbar. Ich musste mich beeilen, und für einen Blitzkrieg braucht man Geld und Verbündete, Balistreri.«
»Sie haben die Roma in diese Geschichte mit reingezogen, Signor Hagi, um den Hass der Italiener zu schüren. Sie und ein Teil des Geheimdienstes, von dem Sie sich haben instrumentalisieren lassen.«
»Die haben mich benutzt und ich sie, Balistreri. Mir geht es um Rache, und der Geheimdienst will ein für alle Mal das politische Gleichgewicht zerstören, das euer beschissenes Land seit sechzig Jahren aufrechterhält. Man wird eine gigantische und unkontrollierbare Welle der Gewalt gegen die Roma entfesseln. Wir haben uns gern wechselseitig unter die Arme gegriffen.«
»Das wird nicht geschehen. Die Italiener haben viele Fehler, und sie mögen korrupte, verlogene Spießer und Rassisten sein, aber sie sind keine Unmenschen. Es wird keine Ausschreitungen gegen die Roma geben, und gegen die Rumänen schon gar nicht.«
»Sie irren sich, Balistreri. Sie irren sich schon wieder. Das nächste Verbrechen wird grausam sein. Das Opfer, eine junge Italienerin, wird regelrecht massakriert werden. Da werden die Italiener sicher aufbegehren.« Sein diabolisches Lächeln ging über in ein Grinsen. »Und Sie, Balistreri, werden dieses Massaker aus allernächster Nähe anführen.«
Du quälst die Lebenden, nicht die Sterbenden. Mit ewigem
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