Du bist das Boese
Schmerz.
Balistreri spürte das Blut in seinen Adern gefrieren. Plötzlich wurde ihm klar, dass er von Anfang an hereingelegt worden war.
Nicht sie hatten Marius Hagi erwischt, sondern er hatte sie hierhergelockt. In diese Villa am Meer auf der Grenze zwischen Lebensfreude und Todesangst.
»Sie haben absichtlich gehustet, als Sie Samantha misshandelt und mit Vasile telefoniert haben. Sie haben den Scheinwerfer der Giulia absichtlich zerstört, um unsere Ermittlungen voranzutreiben. Und Sie haben Nadia nur deshalb ausgesucht, weil es diese Verbindung zu Ihnen gab. Sie haben die Polizei zu sich gelotst und sich festnehmen lassen, damit Sie uns hierherbringen konnten.«
Hagis kalte Augen starrten ihn verschmitzt an. Der letzte Zug an der Zigarette warf einen rot glühenden Schein auf sein Gesicht. »Haben Sie jetzt endlich Angst, Balistreri?«
Hagi war nur die eine Hälfte des Bösen. Die andere war der Unsichtbare, der die Mädchen ermordete und ihn damals in der Nacht auf dem Hügel verschont hatte.
Balistreri spürte die kalte Klinge der Angst. Seit er vor sechsunddreißig Jahren aufgehört hatte, sich selbst zu lieben, fürchtete er sich nicht mehr vor dem Tod. Aber diese Angst war weit schlimmer als der Tod. Es war die Angst, als Toter weiterzuleben. Bestraft vom Teufel, nicht von Gott.
Der Unsichtbare war euphorisch, aber auch ein bisschen traurig. Die Rechnung würde bald beglichen sein. An diesem Abend wären alle Feinde vernichtet und der große Plan vollendet. Er dachte daran, was Balistreri hundert Kilometer weiter in diesem Moment durchmachte, und gönnte sich ein Lächeln.
Nichts im Vergleich zu dem, was noch auf ihn zukommt. Aber meine Mission ist dann beendet.
Nachdem sein Informant ihm bestätigt hatte, dass fünf Polizeiwagen mit Marius Hagi das Gefängnis von Regina Coeli verlassen hatten, war er aus Sabaudia weggefahren, um Viertel vor drei. Zuvor hatte er in dem Restaurant mit Meerblick nicht weit von der Villa noch einen köstlichen Seebarsch in Salzkruste mit einem guten Glas Weißwein zu sich nehmen können.
Um fünf war er in Rom angekommen, rechtzeitig für den ersten Auftrag, den er mit links erledigt hatte. Wieder eine Rechnung beglichen und ein Feind vernichtet.
Um Viertel nach sechs hatte er vor dem Wohnhaus geparkt. Um sechs Uhr fünfundzwanzig hatte er den Mann im Auto fortfahren sehen. Der Trick hatte funktioniert, sie würde nun eine Stunde allein sein, und Balistreri wurde in Sabaudia von Hagi beschäftigt. Das reichte, um eine schöne Party zu feiern und die Dinge zu deponieren, die Hagi im Casilino 900 besorgt hatte, um den Verdacht auf die Roma zu lenken.
Er wollte noch zehn Minuten warten. Um sicherzugehen, dass der andere nicht noch einmal zurückkam. Es war jetzt halb sieben. Noch fünf Minuten.
Als Balistreri um halb sieben aufsprang, tat Hagi nichts, um es zu verhindern, und begnügte sich damit, ihm mit gezogener Pistole zu folgen. Balistreri hatte begriffen, dass Hagi ihn so lange wie möglich festhalten wollte, aber nicht töten durfte. Das war Hagis Pakt mit dem Unsichtbaren.
Eilig durchquerte er den Korridor und öffnete die Tür, die zum Keller hinunterführte. Den abscheulichen Geruch des Todes nahm er sofort wahr, aber es kam ihm erst gar nicht in den Sinn, die Beretta zu ziehen. Während er im Dunkeln die Holztreppe hinabstieg, spürte er, dass jede Stufe ihn dem Bösen, aber auch der Wahrheit näher brachte.
Er gelangte in einen modrigen finsteren Raum. Hagi stand mit der Pistole in der Hand hinter ihm. Durch einen Spalt unter einer Tür im hinteren Teil des Kellers sickerte gedämpftes Licht. Der Todesgeruch kam von dort. Er öffnete die Tür.
Avvocato Francesco Ajello lag nackt auf dem Rücken, Hände und Füße an die vier Ecken eines Bettes gefesselt. Penis und Hoden hatte man abgetrennt und in seinen Mund gestopft. Aus einer klaffenden Bauchwunde hatte man die Gedärme herausgerissen und auf dem Bettlaken und dem Boden verteilt.
Balistreri musste sich übergeben und wankte. Hagi stieß ihn mitten in das Erbrochene, die Eingeweide und das Blut hinein. Dann zielte er mit der Pistole auf ihn. »Da bleiben Sie.«
In einem klaren Moment erinnerte sich Balistreri, dass Hagi nur Zeit zu schinden versuchte und nicht auf ihn schießen würde.
Mit dem Mut der Verzweiflung richtete er sich auf. Hagi wich drei Schritte zurück und setzte sich mit gefesselten Händen die Pistole an die Schläfe. Ein letztes Mal durchbohrte er ihn mit diesen Teufelsaugen, die
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