Du bist in meiner Hand
stieg hinten ein und ließ sich auf das luxuriöse Leder sinken. Die Fahrt dauerte keine Viertelstunde.
Als die Limousine schließlich hielt, wurde sofort die Wagentür geöffnet und DeFoe von einem gut gekleideten Asiaten begrüßt, der vor dem Eingang eines eleganten Landhauses stand. Da DeFoe etliche Aufnahmen gesehen hatte, die im Rahmen der polizeilichen Überwachung von dem Gebäude gemacht worden waren, wusste er sofort, dass es sich um das Gästehaus der Kleins handelte.
»Ich bin Li«, stellte sich der Asiate vor. Nachdem er DeFoe auf Waffen abgetastet hatte, winkte er ihn zur Tür. »Hier entlang.«
Li führte DeFoe in den Eingangsbereich und bat ihn, dort zu warten. Wenige Augenblicke später tauchte eine blonde Frau mittleren Alters auf. Sie trug einen Seidenhosenanzug und dazu eine Perlenkette. Ihr Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden. Sie strahlte Kompetenz und Autorität aus.
»Mr. Simeon, ich freue mich, Sie kennenzulernen.« Erstaunt über ihren liebenswürdigen Ton, griff DeFoe nach der Hand, die sie ihm hinhielt.
»Gleichfalls«, anwortete er.
»Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Fahrt. Wir scheuen für unsere Gäste keine Kosten.«
»Ja, vielen Dank.«
»Bitte«, sagte sie, während sie ihn ins Wohnzimmer führte, »machen Sie es sich bequem.«
Während die Frau nach oben verschwand, blieb DeFoe neben einem antiken Schaukelstuhl stehen.
Nach kurzer Zeit kehrte sie lächelnd zurück, ließ sich neben DeFoe nieder und blickte erwartungsvoll in Richtung Treppenabsatz.
Einen Moment später tauchte dort eine junge Frau auf und kam anmutigen Schrittes herunter ins Wohnzimmer. In ihrem mit Lotusblüten bedruckten Sari und den goldenen, mit glitzernden Steinen besetzten Sandalen sah sie aus wie eine indische Prinzessin. Ihre Halskette und die Reifen an ihren Hand- und Fußgelenken funkelten im Licht, und der Stoff ihres Sari schimmerte, wenn sie sich bewegte.
Überrascht starrte DeFoe sie an. Sie hatte wenig Ähnlichkeit mit dem Kind, das auf der Website von Kandyland abgebildet gewesen war. Wären da nicht ihre zarten Gesichtszüge gewesen, hätte er sie womöglich gar nicht wiedererkannt.
Er sah, wie Sita rot wurde, als ihre Blicke sich trafen. Sie senkte den Kopf und starrte auf den Boden. Gemäß seiner Rolle trat DeFoe auf sie zu und berührte sie an der Wange und am Schlüsselbein. Dann beugte er sich über sie und roch an ihrem Haar.
»Exquisit«, sagte er an die Frau gewandt. »Ein Juwel, wie man es nur selten findet.«
»Es freut mich, wenn sie Ihnen gefällt. Dann können wir uns jetzt ja den Finanzen zuwenden.«
Li erschien mit einem Laptop, den er auf dem Couchtisch abstellte. DeFoe ließ sich auf der Couch nieder und loggte sich in ein Bankkonto ein, das er am Vortag mit Regierungsgeldern eröffnet hatte. Er tippte den Betrag ein und brachte den Transfer zum Abschluss.
»Ausgezeichnet«, sagte die Frau. »Li wird Sie nun in Ihre Suite begleiten. Am Ende Ihres Besuches holt er Sie wieder ab. Um fünf Uhr morgens müssen Sie aufbrechen.«
»Verstehe«, antwortete DeFoe, während er gleichzeitig versuchte, seiner Rolle gerecht zu werden, indem er Sita möglichst unverhohlen beäugte.
Während Sita zusah, wie der fremde Mann Daten in den Computer eingab, kam sie sich vor, als wäre sie plötzlich eine ganz andere Person geworden. Das Mädchen, das sie einmal gewesen war – das Mädchen, das das glitzernde Meer und den warmen Sonnenschein so geliebt hatte –, war in den Schatten getreten und von einer anderen Person abgelöst worden, einer jungen Frau ohne Vergangenheit oder Zukunft. Diese neue Person hatte Angst, war aber dennoch in der Lage, ihr Karma zu akzeptieren. Ohne ihrem wild pochenden Herzen Beachtung zu schenken, versuchte sie sich vorzustellen, was für ein Mensch dieser Mann war. Ist er verheiratet?, fragte sie sich. Hat er Kinder? Wie weit ist er an diesem Abend gereist? Warum hat er ausgerechnet mich ausgesucht?
Als der Mann am Computer fertig war, geleitete Li sie nach oben in den Gang mit den vielen Türen. Er führte sie in die erste Suite, die Sita bereits kannte. Nachdem der Asiate sich zurückgezogen und die Tür hinter sich geschlossen hatte, trat Sita in die Mitte des Raumes und wandte sich dem Fremden zu. Die Anweisungen der blonden Frau fielen ihr wieder ein. Obwohl ihre Unterlippe zu zittern begann, versuchte sie nach Kräften, sich ihre Angst nicht anmerken zu lassen. Was auch immer der Mann mit ihr vorhatte, er würde es in die
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