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Du bist in meiner Hand

Du bist in meiner Hand

Titel: Du bist in meiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corban Addison
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viel heißen sollte wie: Ich habe ja gleich gesagt, dass das nicht einfach wird. Dann zog sie sich zurück, um sich wieder ihren anderen Gästen zu widmen.
    »Ich sollte wohl besser gehen«, meinte Thomas, als sie allein waren.
    Priya nickte, ohne ihn dabei anzusehen. »Das Ganze war ein Fehler«, murmelte sie.
    Ihre Worte trafen ihn, doch er hielt sich zurück. »Bis bald.« Mit diesen Worten verließ er die Terrasse und eilte zurück über die Rasenfläche. Schnellen Schrittes durchquerte er den Garten und trat hinaus auf die Straße. Nach fünf Minuten kam ein Taxi, und er stieg ein.
    »Bringen Sie mich zur Churchgate Station«, sagte er.
    In dem Moment sah er sie zwischen den Wachmännern am Tor stehen. Er erwiderte ihren Blick, bis das Taxi losfuhr und sie außer Sichtweite verschwand. Wäre sie eher gekommen, hätte er sich noch richtig von ihr verabschiedet.
    Im Grunde aber versöhnte ihn allein schon der entschuldigende Ausdruck in ihren Augen.

14
    Der Himmel ist wolkenverhangen, und es regnet
ohne Unterlass. Ich weiß nicht, was sich da in mir
regt – ich weiß nicht, was es bedeutet.
    RABINDRANATH TAGORE
    Paris – Frankreich
    Für Sita war Paris ein erstickender Kerker, der nichts als harte Arbeit für sie bereithielt. Die Wände ihrer Welt wurden immer enger, bis außerhalb des Restaurants und der angrenzenden Wohnung nichts mehr existierte. Sie rackerte unaufhörlich vor sich hin, ohne dass man ihr eine Pause gönnte. Navins Tante, die darauf bestand, dass Sita sie respektvoll Tante- ji nannte, rief ihr ständig ins Gedächtnis, wie tief sie bei ihnen in der Schuld stand, und zeigte keinerlei Mitgefühl, wenn sich bei dem Mädchen Anzeichen von Erschöpfung bemerkbar machten. Unerbittlich erteilte sie ihre Befehle: »Wisch die Küche!« – »Feg den Staub zusammen!« – »Schrubb den Boden!« – »Scheuer den Herd!« – »Putz das Bad!« Sita konnte ihr nichts recht machen, und schnell genug war sie auch nie.
    Jede Nacht schlief sie auf dem Boden des Küchenschranks zwischen benutzten Tischdecken. Aus ihr unerfindlichen Gründen schien es die Wärme, die das Restaurant und die Wohnung heizte, nie bis in die Küche zu schaffen, sodass Sita immer fror. Hin und wieder überlegte sie, ob sie davonlaufen sollte, aber tagsüber ließ man sie nie allein, und nachts schloss Tante- ji beide Küchentüren ab. Den Schlüssel, den sie dazu benutzte, trug sie an einer Kette um den Hals.
    Eines Nachts wurde es im Schrank so kalt, dass Sita nicht mehr einschlafen konnte. Mit jeder Stunde schauderte sie heftiger. Am Ende musste sie die Zähne fest aufeinanderbeißen, damit sie nicht die ganze Zeit klapperten. In ihrer Not küsste sie die kleine Hanuman-Statue und betete – eingehüllt in Tischdecken – um Wärme, doch am frühen Morgen wurde es so schlimm, dass sie ihre Zehen nicht mehr spürte. Widerwillig schälte sie sich aus ihrem Kokon, um sich im Spülbecken warmes Wasser über die Füße laufen zu lassen.
    Nachdem es in der Küche finster war wie auf dem Grund eines Brunnens, stolperte sie über den Mopp, den sie gegen den Kühlschrank gelehnt hatte, woraufhin dieser klappernd zu Boden fiel. Sita blieb wie angewurzelt stehen und lauschte, ob im Haus Schritte zu hören waren. Tante- ji hatte sie bisher erst ein einziges Mal geschlagen – als Sita im Badezimmer einen Kübel voller Putzmittel verschüttete –, ihr aber schon bei etlichen Gelegenheiten Prügel angedroht. Als sie nun ein Knarren hörte, begann ihr Herz zu rasen, doch das Geräusch kam von oben.
    Vorsichtig kletterte sie auf die Küchentheke und stellte die Füße ins Spülbecken. Sie tastete nach dem Wasserhahn und drehte ihn langsam immer weiter auf, bis schließlich ein gleichmäßiger, wärmender Strahl kam. Das Geräusch, mit dem das Wasser durch die Leitungen rauschte, ließ sie zusammenzucken. Bestimmt würde gleich Tante- ji auftauchen, um sie zu bestrafen.
    Sie stellte die Füße ins Wasser und massierte sich die Zehen, um die Blutzirkulation wieder in Gang zu bringen. Noch immer trug sie den Churidar, den Navin in Bombay für sie gekauft hatte. Ihre Unterwäsche war seit ihrer Abreise aus Indien nicht mehr gewaschen worden. Navins Onkel gestattete ihr, die Toilette des Restaurants zu benutzen, allerdings nur am frühen Morgen und am späten Abend. Als sie einmal die Kühnheit besaß zu fragen, ob sie ein Bad nehmen dürfe, lachte Tante- ji nur grausam und fauchte auf Hindi: »Du bist den Preis für das Wasser nicht wert!«
    Nachdem

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